© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/15 / 30. Oktober 2015

Vorläufig herrscht Ruhe
AfD: Nach der Aufregung um die Auftritte von Björn Höcke bemüht sich die Parteiführung um Schadensbegrenzung
Marcus Schmidt

Die Reaktion von Björn Höcke fiel knapp aus. „Interne Angelegenheiten regeln wir intern“, lautete der Kern seiner Stellungnahme, nachdem der Thüringer AfD-Chef von den beiden Sprechern der Bundespartei, Frauke Petry und Jörg Meuthen, für seinen Auftritt in der Fernsehsendung von Günther Jauch am vorvergangenen Sonntag öffentlich gemaßregelt worden war. „Wir sehen uns, ebenso wie die große Mehrheit der AfD-Mitglieder, vom derzeitigen Stil des Auftretens des thüringischen Landesvorsitzenden Björn Höcke nicht vertreten“, beschieden Petry und Meuthen ihrem Parteifreund. Zuvor waren die Wogen in der Öffentlichkeit wie auch in der Partei hochgegangen (JF 44/15). 

Hoher Beamter verläßt die Partei

Die zurückhaltende Reaktion Höckes auf die Kritik der Parteiführung war gleichsam das Signal für eine parteiinterne Deeskalation der Auseinandersetzung. Am selben Tag erklärte Petry in der ZDF-Sendung „Maybritt Illner“ die Äußerungen Höckes in der ARD und auf den Erfurter AfD-Demonstrationen zur Stilfrage. Sie widersprach damit der Lesart, der Partei drohe ein neuer Richtungsstreit. Zwei Tage später folgte Meuthen dieser Linie. Auf dem Landesparteitag der AfD Baden-Württemberg in Horb brachte Petrys Co-Vorsitzender das Kunststück fertig, den Ordnungsruf der Parteispitze zu erwähnen, ohne den Namen Höckes zu nennen. 

Seitdem herrscht in der Partei wieder Ruhe und Geschlossenheit. Jedenfalls an der Oberfläche. Denn nicht für alle sind die jüngsten Auftritte Björn Höckes eine bloße Stilfrage, über die die Partei einfach hinweggehen könne. „Einige in der Partei haben die Angst, daß dadurch Teile des Bürgertums abspringen könnten“, schildert AfD-Vize Alexander Gauland seine Wahrnehmung. Der Brandenburger Fraktionschef war Höcke im Streit mit der Parteispitze beigesprungen. „Inhaltlich kann man gar nichts gegen Höcke einwenden“, sagte Gauland der JUNGEN FREIHEIT. Höcke verwende allerdings mitunter Sprachbilder, an denen sich manche störten, räumte er ein. 

Daß dieser Befund nicht nur für die politischen Gegner gilt, sondern auch für die eigenen Anhänger, mußte Gauland Ende vergangener Woche schmerzhaft erfahren. In einem Brief an die AfD-Mitglieder in Brandenburg teilte der Landeschef mit, daß sein Stellvertreter, Hubertus Rybak, die AfD verlassen habe – mit Verweis auf den „Auftritt unseres Freundes Höcke bei Günther Jauch“. Der Rückzug Rybaks ist für die AfD in Brandenburg ein schwerer Schlag. Der Referatsleiter im Bundesinnenministerium war der wichtigste Mann neben Gauland und gilt als kaum ersetzbar. Das Wahlprogramm, mit dem die AfD in Brandenburg das bislang beste Wahlergebnis der Partei überhaupt einfuhr, hat Rybak fast im Alleingang verfaßt. Daß ein hoher Beamter aus einem Bundesministerium die Partei mit Verweis auf Höcke verläßt, wird als Alarmzeichen und als Beleg für die Gefahr gesehen, die AfD könnte die Anschlußfähigkeit an bürgerliche Wähler verlieren. Die AfD müsse für die Wähler, die der Union angesichts der Asylpolitik in Scharen davonlaufen, ohne Scham wählbar bleiben, heißt es in der Partei. Für den früheren AfD-Sprecher Konrad Adam geht es bei dem Streit um Höcke daher um Grundsätzliches. „Höcke wirft das Netz in Gewässern aus, in denen ich nicht fischen möchte“, sagte er der JUNGEN FREIHEIT.

Zur vorläufigen innerparteilichen Beruhigung im „Fall Höcke“ dürften auch die gewaltsamen Übergriffe auf AfD-Politiker in den vergangenen Tagen beigetragen haben. So verwüsteten unbekannte Täter am Wochenende den Firmensitz des AfD-Landeschefs von Sachsen-Anhalt, André Poggenburg. Die Einbrecher hinterließen ein Foto des Politikers mit einer Zielscheibe auf dem Kopf. „Es wurden mehrere Laptops und ein Transportwagen gestohlen“, berichtete Poggenburg der JF. In der Nacht auf Montag ging in Berlin das Auto der AfD-Europaabgeordneten Beatrix von Storch in Flammen auf. „Ein linksextremes Internetportal hatte erst vor drei Tagen meine Wohnanschrift und damit den Standort des Fahrzeuges inklusive Fahrzeugkennzeichen veröffentlicht“, berichtete von Storch. Bereits in der vergangenen Woche war der Vorsitzende der Jungen Alternativen Hochschulgruppe in Göttingen, Lars Steinke, von mutmaßlich linksextremistischen Tätern angegriffen und verletzt worden. Wie rauh das Klima für die AfD geworden ist, mußte auch Höcke erfahren. Nach Morddrohungen trägt er bei seinen Auftritten mittlerweile eine schußsichere Weste.

Unterdessen kann die AfD in Hessen einen prominenten Neuzugang verzeichnen. Am vergangenen Wochenende wählte der Kreisverband Fulda den früheren CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann zum Spitzenkandidaten für die Kommunalwahl im kommenden Jahr. AfD-Mitglied sei er zwar noch nicht, berichtete Hohmann der JF. „Aber wir sind sozusagen verlobt. Ich identifiziere mich mit den Zielen der AfD.“ Der konservative Politiker war 2003 nach einer fälschlich als antisemitisch dargestellten Rede zum Tag der Deutschen Einheit aus der CDU/CSU-Fraktion und später auch aus der CDU ausgeschlossen worden. Hohmann, der vor seiner Wahl in den Bundestag 15 Jahre lang Bürgermeister  der Gemeinde Neuhof war, ist überzeugt, daß er der AfD weiterhelfen kann. „Ich kenne die Sorgen der Menschen und will deren Sprachrohr sein“, kündigte er an.