© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/15 / 30. Oktober 2015

Frisch gepresst

Georges Bataille. Für Jean-Paul Sartre war der Bibliothekar und Archivar Georges Bataille (1897–1962) schlicht ein „Irrer“. Für die seit den 1970ern sich vergrößernde Schar seiner Bewunderer ein sadomasochistischer „Mystiker der Ausschweifung“, dessen teilweise pornographisches Werk den gesellschaftlich Ausgeschlossenen eine Stimme leihe. Dieser Kult der „Verfemten“ verschaffte dem von Michel Foucault akademisch nobilitierten Bataille einen enormen Einfluß auf den marxistisch grundierten Postmodernismus, der im Namen der „Verschiedenheit“ gegen jede Ordnung und Sicherheit vermittelnde Form von „Homogenität“ Front machte und der heute unter der Fahne von „Gender Mainstreaming“ und „Diversity“ die kulturelle Hegemonie errungen hat. Als Pathogenese westlicher Intelligenz zeichnet der angloitalienische Politologe Guido Giacomo Preparata, der 2005 mit spektakulären Thesen über Beziehungen der US-Finanzelite zur NSDAP hervortrat („Wer Hitler mächtig machte“, deutsch 2009), die Rezeptionsgeschichte des komplexen sozioökonomischen Werkes von Bataille erstmals nach. Und wegen der desaströsen, den Selbstbehauptungswillen der europäischen Nationalkulturen paralysierenden Folgen schreitet seine faszinierende, acht Jahre nach der US-Publikation endlich ins Deutsche übersetzte Ideologiekritik rüstig voran bis zur Hintergrundbeleuchtung des „permanenten Kriegszustands“ der Gegenwart. (wm)

Guido Giacomo Preparata: Die Ideologie der Tyrannei. Neognostische Mythologie in der amerikanischen Politik, Verlag Duncker&Humblot, Berlin 2015, 311 Seiten, 39,90 Euro





Niekisch. Berührungsängste kannte Ernst Niekisch keine. Nach 1918 pendelte der nationale Linke zwischen allen politischen Polen: vom Rätefürst Kurt Eisner bis zum Reichswehrchef Hans von Seeckt. Zum linken NSDAP-Mann Gregor Strasser hatte der Publizist einen guten Draht, dennoch blieb Niekisch stets ein Stalinversteher. Nur mit dem Altersgenossen Hitler wollte der Nationalbolschewist partout nicht warm werden, was jener ihm von 1937 bis Kriegsende mit Kerkerdasein vergalt. Der erste Band seiner spannenden Lebensrückschau dieses Grenzgängers, den der Ost-Berliner Emeritus 1958 im Westen publizierte und zuletzt nur antiquarisch zu bekommen war, ist jetzt wieder greifbar. (bä)

Ernst Niekisch: Gewagtes Leben. Erinnerungen eines deutschen Revolutionärs 1889–1945. Bublies Verlag, Schnellbach 2015, broschiert, 391 Seiten, Abbildungen, 24,80 Euro