© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/15 / 30. Oktober 2015

Große Sorge um die Dickhäuter
Ostafrika: Elefantenherden werden durch Wilderer rasant dezimiert
Dieter Menke

Wie geht es dem afrikanischen Elefanten? Eine Frage, die schwer bündig zu beantworten ist, da die Nachrichtenlage ein uneinheitliches Bild bietet. Gewiß ist nur, daß sein Überleben davon abhängt, wo er sich aufhält. Eine Aussage, die nicht allein aus dem Vergleich der Elefantenpopulationen verschiedener afrikanischer Staaten resultiert. Auch innerhalb von Landesgrenzen differieren die Bestandsentwicklungen erheblich, wie an der jüngsten Elefantenzählung des tansanischen Ministeriums für natürliche Ressourcen und Tourismus abzulesen ist.

„Ganzheitlicher Ansatz“   von Schutzprojekten

Ausweislich der Daten dieses im Juni 2015 veröffentlichten „Great Elephant Census“ leben auf dem Territorium des ehemaligen „Deutsch-Ostafrika“, dem heutigen Tansania, 43.521 Dickhäuter. Verglichen mit den Erhebungen von 2009, die noch von 109.000 Tieren berichten, erlebten die Bestände somit einen atemberaubenden Rückgang um 60 Prozent. Tansanias Umweltminister Lazaro Nyalandu sprach daher von einem „Elefantenschlachthaus“, in das sich sein Land fast über Nacht verwandelt habe.

Allerdings trifft diese düstere Bilanz nicht auf zwei im Norden Tansanias gelegene Ökosysteme zu. In der berühmten Serengeti wuchs die Population um 98, in Tarangire-Manyara um 64 Prozent. Hingegen verzeichnen drei der südlichen „Elefantenhochburgen“ von einst Rückgänge um 66 bis 81 Prozent. Darunter fällt mit den extremsten Schwankungen die Bestandsgeschichte im Selous Game Reserve auf, wo man um 1975 noch 100.000 Elefanten registriert hatte. Bis zum Ende der 1980er Jahre dezimierten Wilderer diese Herden um 80 Prozent. Intensive Schutzmaßnahmen, scharfes Durchgreifen gegen Wilderer und ein internationales Handelsverbot für Elfenbein sorgten dann aber für eine spürbare Erholung, so daß 2009 wieder 45.000 Tiere im Selous lebten. Mit ihnen geht es seitdem aufgrund massiver Verfolgung durch Wilderer wieder steil bergab. Denn nur noch etwa 15.000 Elefanten konnte der aktuelle Zensus erfassen.

Die gravierenden Unterschiede zwischen den zwei nördlichen und den fünf südlichen Populationen erklären sich indes aus der höheren Reproduktionsrate im Norden und der stärkeren Zuwanderung aus benachbarten Regionen. Allein auf die vielleicht effizientere Bekämpfung der Wilderer ist der Aufschwung im Norden jedenfalls nicht zurückzuführen.

Diesen Schluß legt auch das Elefanten-Engagement der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF) im 5.000 Quadratkilometer großen Gonarezhou-Nationalpark nahe. Zu Simbabwe gehörig, ist der Park Teil des Great Limpopo Transfrontier Parks, eines der größten Schutzgebiete der Erde, das sich im Dreiländereck von Simbabwe, Mosambik und Südafrika über 35.000 Quadratkilometer ausdehnt und auch den Krüger-Nationalpark umfaßt.

Unter den widrigen politischen Umständen, wie sie im von Robert Mugabe diktatorisch regierten gescheiterten Staat Simbabwe herrschen, nahm die ZGF 2007 ihre Schutzarbeit in Gonarezhou zu einem Zeitpunkt auf, als der Park kaum mehr seinen Namen verdiente, da eine „Truppe ohne Moral“ und regelmäßige Löhnung für die Bewachung der Elefanten zuständig war, die wöchentlich selbst ein Tier schießen mußte, um etwas im Kochtopf zu haben. Zudem setzte gerade die landwirtschaftliche Expansion ein. Erste Felder im Park entstanden, und Konflikte zwischen Kleinbauern und Wildtieren waren an der Tagesordnung.

Um solche Verhältnisse zu überwinden, war die Ausbildung einer schlagkräftigen Wildhüter-Truppe zwar eine notwendige, aber bei weitem keine hinreichende Bedingung. Wenn heute die 10.000 Elefanten im Gonarezhou-Nationalpark im Gegensatz zu anderen Populationen Simbabwes selten von Wilderern heimgesucht würden, so deutet ZGF-Geschäftsführer Christof Schenck den Aufbauerfolg der Frankfurter Tierschützer, sei das der Kombination von Organisationstalent, einem „sehr ordentlichen Budget“, dem Aufbau elementarer Infrastruktur, moderater touristischer Erschließung und einem beharrlich verfolgten „ganzheitlichen“ Ansatz des Projekts zu verdanken.

Wilddiebe ziehen einfach weiter von Staat zu Staat

Entsprechend dieser Vorgabe rekrutierte die ZGF Ranger, Mechaniker und Bürokräfte bevorzugt aus der heimischen Bevölkerung. Und um die Bedeutung des Naturschutzes über diesen Mitarbeiterkreis hinaus im Bewußtsein der Bevölkerung zu verankern, initiierte sie ein Bildungsprogramm an 39 parknahen Schulen, die „eine Art Bücherbus“ mit Lernmaterialien zum Naturschutz ausstattet, die in den normalen Unterricht integriert werden.

Trotz der vom örtlichen Projektleiter Hugo van der Westhuizen mit vielen Hinweisen auf rasche Fortschritte untermauerten optimistischen Prognose Schencks, der „nachhaltige“ Nationalpark gehe einer sicheren Zukunft entgegen, scheinen die Gefährdungen nicht nur für Elefanten abermals zuzunehmen. Mit Sorge blickt van der Westhuizen deshalb nach Mosambik, das seit 2009 fast die Hälfte seiner Elefanten einbüßte. Wenn man für einen Park verantwortlich sei, der eine 110 Kilometer lange Grenze mit Mosambik teile, sei die Frage nicht mehr, „ob uns die Wilderei-Krise treffen wird, sondern wann“.

Sein an der Spitze des nördlichen Parksektors stehender Kollege Evious Mpofu ist überzeugt, es mit einer neuen Qualität „kommerzieller Wilderei in großem Stil“ zu tun zu haben. Deren Wucht bekäme seit kurzem der benachbarte südafrikanische Krüger-Nationalpark zu spüren, der in „alarmierender Geschwindigkeit“ Nashörner verliere, die von Wilderern aus Mosambik getötet würden. Sollten Südafrikas „erhebliche Investitionen in die Antiwilderei-Arbeit“ fruchten, sei jedoch leider zu fürchten, daß die Wilderer Gonarezhous Elefanten ins Visier nehmen. Ein „Aufwärtstrend“ sei hier jetzt schon zu erkennen (Gorilla. Magazin der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt von 1858 e.V.).