© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/15 / 06. November 2015

Mit der Stechuhr ins Feld
Bundeswehr: Ab 1. Januar 2016 gilt die 41-Stunden-Woche
Christian Schreiber

Der Regelungsdrang der EU macht auch vor den Streitkräften nicht halt. Ab dem 1. Januar  wird mit der Einführung der Arbeitszeitverordnung Soldatinnen und Soldaten (SAZV) eine EU-Richtlinie der EU in nationales Recht umgesetzt. 

Noch vor einigen Monaten hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) gesagt, daß der Staat „mit der Ressource Zeit bei den Soldaten aasen“ könne. In der Truppe war dieser Spruch nicht gut angekommen. Doch damit ist es nun ohnehin vorbei. Künftig sollen Soldaten nur noch 41 Stunden pro Woche „arbeiten“ müssen. „Für die Streitkräfte bedeutet das schon einen Kulturwandel“, erklärte Fregattenkapitän Andreas Krug, der im Verteidigungsministerium an der gesetzlichen Umsetzung der Agenda Attraktivität mitarbeitet, im Deutschlandfunk. „Wir werden mit der Ressource Arbeitszeit schlicht sorgsamer umgehen müssen“, lautet sein Fazit. 

Nachdem die EU-Richtlinie bereits bei Polizei, Feuerwehren und in Krankenhäusern die dienstlichen Abläufe zum Teil fundamental geändert hat, ist nun die Bundeswehr am Zug. Zuvor hatte sich lange die Rechtsauffassung gehalten, sie gelte für Soldaten grundsätzlich nicht. Doch dies hatte sich Ende 2011 durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts geändert. Zwar sind Ausnahmen und Abweichungen von den grundsätzlichen Vorgaben unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, zum Beispiel bei den Streitkräften oder der Polizei. Jedoch handelt es sich hierbei nicht um eine generelle Ausnahme für die gesamten Streitkräfte.

Innerhalb der Truppe sieht man die Umsetzung der Verordnung mit einer Mischung aus Skepsis und Erleichterung. Im Bericht des Wehrbeauftragten des Bundestags hatten sich in den vergangenen Jahren die Klagen über familienunfreundliche Arbeitszeiten gehäuft. Von der Leyen hatte daraufhin erklärt, man müsse sich fragen, ob es gut für die Motivation innerhalb der Armee sei, wenn jede dritte Soldaten-Ehe geschieden werde. Mit der Verkündung des „Gesetzes zur Steigerung der Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr“ wurde im Soldatengesetz ein neuer Paragraph verankert. Dieser führt erstmals eine gesetzliche Arbeitszeitregelung für Soldaten mit einer „regelmäßigen Arbeitszeit“ von 41 Stunden pro Woche ohne Pause ein. 

Besonders für die Marine stellen sich nun ungewohnte Probleme ein. Dort stützte man sich lange auf in- und externe Gutachter, die dem Verteidigungsministerium bescheinigten, daß auch für Soldaten außerhalb von Kampf- und Kriegseinsätzen grundsätzlich die 48-Stunden-Woche gilt.

Damit ist es nun vorbei. Reduzieren läßt sich die Wochenarbeitszeit bei Marineschiffen nur im Hafen. Denn wenn das Schiff liegt, kann die Besatzung nach Hause. Übungen auf hoher See werden demnach als Einsatzzeiten verbucht, für die es entsprechende Ausgleichszeiten geben wird. „Der größte Verbraucher von Arbeitszeit ist für unsere Besatzungen der Wachdienst im Heimathafen. Also muß unser Ziel sein, diesen Wachdienst für die Besatzungen möglichst ganz zu vermeiden, ohne dabei Abstriche bei der Sicherheit zu machen. Dazu müssen entsprechende Unterkünfte geschaffen oder angemietet werden“, sagt Marine-Inspekteur Andreas Krause. Der Admiral sieht die neue Verordnung auch als Chance und will keine Klagen hören. „Als Soldat hadert man nicht über Dinge, die nicht zu ändern sind. Das Gesetz ist so beschlossen, also müssen wir es umsetzen. Für die Soldaten wird die Planbarkeit  der Dienstzeit verbessert und dies trägt zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Dienst in der Marine bei. Zudem bedeutet es eine Chance, die wir nutzen wollen: Sie zwingt uns nämlich zu einem Verständnis zeitgemäßen Ressourcenmanagements auf allen Führungsebenen.“ Der Inspekteur legt aber auch Wert auf die Feststellung, daß die Einsatzbereitschaft der Truppe durch die Verordnung nicht leiden darf. 

Der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels hat genau diese Bedenken.   Er rechne damit, daß es dabei zunächst mal „knirscht”, sagte er der Frankfurter Neuen Presse. Auf die Frage, ob die Bundeswehr darauf ausreichend vorbereitet sei, antwortete der SPD-Politiker: „Nicht wirklich. Also, das geht ja los von Arbeitszeiterfassungsgeräten bis hin zur Organisation von Dienst- und Übungsplänen.“

Auf die Bundeswehr komme ein „völliger Paradigmenwechsel, eine Veränderung, die auch Mentalitäten in der Truppe verändern müßte“, zu. Der Umgang mit der Ressource Arbeitszeit werde „pfleglicher“ werden müssen, sagte Bartels. „Es ist nicht mehr ohne Ende Zeit da. Es sind Menschen, die mit ihrer Zeit planen wollen und in Zukunft auch planen können sollen.“ Ein Bündel flankierender Maßnahmen soll helfen, die neuen gesetzlichen Regelungen effizient umzusetzen. So sollen unter anderem die militärischen Wachleistungen weiter reduziert und eine flächendeckende elektronische 

Zeiterfassung eingeführt werden.

In Einsatzzeiten gilt die neue Verordnung übrigens nicht. Dort anfallende „Überstunden“ sollen durch ein Mehr an Freizeit ausgeglichen werden.