© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/15 / 06. November 2015

„Da hilft auch kein Lüften mehr“
Wärmedämmung: Der Architekt Klaus-Jürgen Bauer warnt eindringlich vor den Folgen der Fassadenverpackung / Gesundheitsgefahren durch Schimmelpilze
Jörg Fischer

Eine bessere Dämmung der Außenwände, des Dachbodens und des Kellers in Altbauten führt in der Regel zu einer Verringerung des Heizenergiebedarfs von mehr als 60 Prozent“, behauptet das Umweltbundesamt (UBA). Und da für Wärme Gas, Öl, Kohle oder Holz verbrannt wird, entsteht „klimaschädliches“ Kohlendioxid (CO2). Das erklärt, warum die Bundesregierung im Frühjahr ein 1,2-Milliarden-Programm für die „Energieeffizienz“ bereitstellt.

Die Dämmstoffindustrie, Handwerksbetriebe, Klimaschützer, etablierte Politiker und die die Fassadenverpackung finanzierenden Banken argumentieren zusätzlich mit steuerlichen und finanziellen Vorteilen und „einer lebenslangen, ordentlichen Rendite der Investitionsmaßnahmen“.

Wie gefährlich sind Materialien im Brandfall?

Der Architekt Klaus-Jürgen Bauer widerspricht in seiner Streitschrift „Entdämmt euch“ all dem heftig: „Ein Gespinst geht um in Europa – ein Gespinst, das in Form von gepreßten Schaumplatten auf unsere Hauswände geklebt wird. Alle Mächte Europas haben sich in einer heiligen Hetzjagd – so scheint es – für das Einpacken unserer Häuser verbündet, der Papst und der Zar, die Kanzlerin und der Präsident, radikale Umweltschützer und gewissenhafte Baupolizisten. Dieses Gespinst ist weiß, aber es kommt auch in anderen Farben vor. Das weiße Gespinst nennt sich EPS und besteht aus geblähtem Polystyrolgranulat, ein transparenter, weißer, amorpher, thermoplastischer Kunststoff“, schreibt Bauer. Sein literarischer Rückgriff auf das Kommunistische Manifest von 1848 ist durchaus passend gewählt – selbst die EU erhob mit ihrer Gebäuderichtlinie die „Volksverdämmung“ (Spiegel) zum „alternativlosen“ Standard des Bauens.

Vorrangig geht es dem an der TU Wien ausgebildeten und an der Bauhaus-Universität Weimar promovierten Architekten um die Ästhetik, Bautechnik und Energiebilanzen. Doch Dämmung verursacht auch gesundheitliche Probleme: Wie gefährlich sind die verwendeten Materialien im Brandfall? Welche Auswirkung hat die Pestizidbehandlung zur Vorbeugung gegen Algenbefall? Und: Wie steht es um die Schimmelbildung?

„Sporen und Stoffwechselprodukte von Schimmelpilzen können, über die Luft eingeatmet, allergische und reizende Reaktionen beim Menschen auslösen“, warnt auch das UBA. Selbst Dämmstoffhersteller leugnen das nicht, und empfehlen zusätzlich zum regelmäßigen Lüften ein modernes Lüftungssystem mit Wärmerückgewinnung. Daß dies nicht nur Geld, sondern auch Strom (Achtung CO2!) kostet, zeigt das Dilemma des deutschen Dämmwahns.

Verhindert eine denkmalgeschützte Fassade die Außendämmung, dann ist noch mehr Vorsicht angebracht: „An der Verbindung zwischen angebrachter Innendämmung und Wand ist die Temperatur deutlich niedriger als an der Innenseite der Wand vor dem Anbringen der Innendämmung, so daß hier die Gefahr von Schimmelbildung besteht.“ Das sagt nicht der Dämmkritiker Bauer, sondern diese Warnung stammt von einem renommiertem Styropor-Anbieter. Bei einer zu dicken Innendämmung helfe „dann auch kein Lüften mehr“.

Informationsportal von Klaus-Jürgen Bauer:  www.bauer-arch.at

Klaus-Jürgen Bauer: Entdämmt euch! Eine Streitschrift. Edition Lex Liszt 12, Oberwart 2015, 68 Seiten, broschiert, 10 Euro