© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/15 / 06. November 2015

Zum Freiwild erklärt
Dramaturgische Brandstiftung: Agitprop-Theater in der Berliner Schaubühne
Christian Dorn

Kunst ist Waffe.“ Das einstige Diktum des Sozialistischen Realismus wird derzeit an der staatlich subventionierten Berliner Schaubühne demonstriert, wo die Furcht vor Deutschland und seinen politischen „Zombies“ umgeht, deren infames Alphabet hier von A wie AfD bis Z wie Beate Zschäpe buchstabiert wird. Vor allem fürchtet sich der wie ein Milchbubi wirkende Dramatiker Falk Richter (46), der an der traditonsreichen Theaterstätte am Kurfürstendamm – man muß es so deutlich sagen – geistige Brandstiftung betreibt. Anders ist das unter dem Titel „Fear“ annoncierte Agitprop-Stück nicht zu verstehen, für das Richter als Autor, Regisseur und Choreograph verantwortlich zeichnet.

Wenn CDU-Vize Armin Laschet jüngst im Deutschlandfunk befand, daß jede Stimme für die AfD „eine gefährliche Stimme“ sei und man „alles tun“ müsse, „damit die AfD keinen weiteren Einfluß gewinnt“, kann er hier auf ein Theaterkollektiv vertrauen, das den Auftrag der politisch-medialen Klasse – früher „Parteiauftrag“ genannt – mit aller Radikalität in die Tat umsetzt.

Dies schließt die Mittel der Denunziation, Verleumdung und Diffamierung ein, wenn etwa dem Schriftsteller Akif Pirinçci indirekt unterstellt wird, er wolle in Deutschland wieder KZs errichten, wenn die Koordinatorin der „Demo für alle“, Hedwig Freifrau von Beverfoerde, als „schreckliche Krähe“ bezeichnet wird oder die katholische Publizistin Gabriele Kuby sowie die AfD-Politikerinnen Frauke Petry und Beatrix von Storch als leibhaftiger „Horror“ vorgestellt werden. So wird etwa der halluzinierten Figur Kuby eine „Haßpredigt“ gegen „Juden und Homosexuelle“ in den Mund gelegt und insinuiert, sie ersticke an ihrem Haß, da sie sämtliche Haßreden halte, „die je auf der Erde gehalten wurden“. Die Figur der Beatrix von Storch, deren Wohnadresse lauthals in den Saal gerufen wird, steht in einem Zwiegespräch mit ihrem von den Toten auferstandenen Großvater Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk, Reichsfinanzminister von 1932 bis 1945. Von diesem, so wird dem Publikum weisgemacht, wolle von Storch heimgeholt werden, um dann gemeinsam mit ihm das unvollendete Werk – die Vernichtung der Juden und Homosexuellen – doch noch vollenden zu können.

Was sich hier auf der Bühne abspielt oder besser ausgestellt wird, sind bei Lichte besehen weniger der vermeintliche Haß sogenannter Rechtspopulisten und Fremdenfeinde, als vielmehr die halluzinierte Bedrohung, die Paranoia eines theatralischen Juste milieu. Deren Panik besteht allen Ernstes darin, daß die Protagonisten des Dritten Reiches heute wieder aus ihren Gräbern gekrochen seien, durch die öffentlich-rechtlichen Anstalten stolperten und die Parlamente eroberten. Auf die rhetorische Frage, wie mit jemandem umzugehen sei, „der bereits tot ist und der zwei Weltkriege ausgelöst hat“, wie man diese Leute zurück in die Gräber bekomme, weiß das Richter-Kollektiv eine Antwort, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrigläßt: „Der Zombie stirbt nur, wenn man ihm in den Kopf scheißt – schießt.“ Ob der Versprecher am Ende freudschen Ursprungs ist, spielt da keine Rolle mehr. Schließlich, klagt einer der Schauspieler, sei es „so undankbar, sich mit dem ganzen braunen Scheiß auseinanderzusetzen“.

Doch was soll diese Klage? Die ersten Resultate lassen sich doch bereits besichtigen, da der Feind definiert und zum Freiwild erklärt worden ist: Brandanschläge auf das Auto von Beatrix von Storch oder auf Firmengebäude und Auto der Familie von Beverfoerde.

Vielleicht hätte der künstlerische Leiter des Hauses, Regisseur Thomas Ostermeier, das „Richter-Kollektiv“ zum Besuch seiner Inszenierung vom „Volksfeind“ verpflichten sollen. Dort könnten diese selbsternannten Menschheitsretter und Gewaltfanatiker im Namen des Guten erleben, wie rasch ein „Volksfeind“ definiert wird, wie der Antifaschist unversehens als der Wiedergänger dessen erscheint, den er zu bekämpfen vorgibt. Doch so entledigen sich die Akteure – in einem Durcheinander von Agitation, Deklamation, choreographierter Aggression und zwangsneurotischer Performance – ihres vermeintlichen Todfeindes durch dessen Auslöschung, indem die Pappfiguren mit prominenten Kritikerköpfen des Gender Mainstreaming und der Asylindustrie in einem exterminatorischen Furor auf der Bühne zerstört werden, zurückgetreten und -gestoßen in die Gräber, aus denen sie als Untote auferstanden seien.

So erscheinen am Ende selbst die dumpfen Wutbürger, die als Tänzer auf der Bühne wie sprachlose, tumbe Insassen in Zwangsjacken herumzucken, für einen Augenblick lebendiger und authentischer als die schizophrenen Bühnenfiguren, die das Ideal des Neuen Menschen vom Bühnenrand verkünden. Zu guter Letzt regiert der absolute Kitsch, als sich Richter anheischig macht, in der Tradition des Dramatikers Heiner Müller zu stehen, da er verlauten läßt: „Mensch Heiner, jetzt sag doch mal was (…) Wieso sind die DDR-Intellektuellen nie zu Wort gekommen, stattdessen sind da jetzt Beate Zschäpe und Frauke Petry (…) Jetzt gibt’s den Widerstand nur noch rechts von der CSU, was nun Heiner? (…) Laß uns wieder eine Zigarre rauchen und einen Whisky trinken.“ Doch die Furcht gebiert eine ungeheure Erkenntnis: Die Müller-Milch macht’s nicht.

Kontakt: Schaubühne am Lehniner Platz, Kurfürstendamm 153, 10709 Berlin  www.schaubuehne.de