© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/15 / 06. November 2015

Abendland wird abgehängt
Spengler redivivus: Der Publizist Michael Ley deutet Gefahren einer fortschreitenden Islamisierung
Felix Dirsch

Gewiß ist die Front der Islam- und Islamismus-Kritiker gut aufgestellt. Die Güte ihrer Schriften ist naturgemäß unterschiedlich. Der dem Reformjudentum angehörige Historiker Michael Ley, der vornehmlich zum Thema „Politische Religionen des 20. Jahrhunderts“ hochkarätige Veröffentlichungen vorgelegt hat, beschäftigt sich schon seit einiger Zeit mit Multikulturalismus sowie Massenimmigration.

Die Gegenwartssituation schätzt Ley pessimistisch ein, was er im letzten Kapitel ausführt: Eurokrise, demographische Katastrophe und Masseneinwanderung in alternde, verteidigungsunwillige (Noch-)Wohlstandgesellschaften in Europa prägen die Großwetterlage. Der Verfasser zeigt in den ersten Kapiteln des Buches, daß das neue Selbstbewußtsein insbesondere des politischen Islam in groteskem Widerspruch zu seinen angreifbaren theologischen und philologischen Grundlagen steht. 

In der Tradition der Kritik der frühen Koranredaktion, die von Ignaz Goldziher bis Karl-Heinz Ohlig reicht, bringt Ley etliche Argumente gegen die Historizität Mohammeds vor. Erst 150 Jahre nach dem angeblichen Ableben des Gründers dieser Weltreligion tauchen nach langen Phasen der oralen Überlieferung erste schriftliche Belege auf. Wahrscheinlich ist, daß die Dynastie der Abbasiden diese Gestalt erschaffen hat, sie also letztlich nichts anderes darstellt als eine imaginäre Figur zur Unterstreichung hegemonialer Ansprüche.

Ley zerpflückt weiterhin die Mär vom toleranten Miteinander in der Ära von al-Andalus. Die nicht geringe Zahl an westlichen Islamophilen, die sich erstmals zur Zeit der Aufklärung bemerkbar machten, pflegen diesen Mythos liebevoll. Definitiv konnte sich der Scharia-Islam nach einem relativ kurzen Intermezzo verhältnismäßig freien Denkens durchsetzen – und das auf der ganzen Linie. Die Erscheinungsform des Islam als politische Religion ist hier bereits früh angelegt.

Integration des Islam in toto keine Erfolgsgeschichte

Ein dunkles Kapitel der Geschichte der arabischen Welt im 20. Jahrhundert ist die Kollaboration einiger Moslemkontingente mit dem Nationalsozialismus. Islamische SS-Divisionen bekämpften in Bosnien und Herzegowina Kroaten und Serben. Der Mufti von Jerusalem el-Husseini war mit Himmler befreundet und unterstützte aktiv die Judenvernichtung. Die weitergehende Deutung, daß el-Husseini sogar ein Inspirator des Holocausts gewesen sei, hat jüngst dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu viel Kritik eingebracht.

Der zweite Teil der Abhandlung befaßt sich mit der Krise der europäischen Identität, die maßgeblich von einer „Politik der Schuld“ (Paul Gottfried) verursacht ist. Besonders Intellektuelle vom Schlage des Historikers Wolfgang Benz forcieren diesen Trend, indem sie suggerieren, Muslime seien die neuen Juden. Ley zeigt anhand einer Fülle von Beispielen, daß die Integration des Islam in toto keine Erfolgsgeschichte ist, wenngleich es mitunter positive Beispiele zu berichten gibt.

Das Schlußwort präsentiert ungeschminkt die Zukunftsprobleme. Weit ist Leys Diagnose vom Spenglerschen Untergangsszenario nicht entfernt. Hat der Migrationsdruck bereits in den letzten Monaten katastrophale Ausmaße angenommen, wird er sich aufgrund der Bevölkerungsexplosion in etlichen islamisch dominierten Ländern weiter erhöhen. Ley setzt sich für nationale, ethnische, religiöse und kulturelle Vielfalt sowie für Humanismus und Aufklärung ein. Wie das konkret aussehen soll, erschließt sich dem Leser nicht immer. Die Analysen, denen der Kunsttheoretiker Bazon Brock ein aussagekräftiges Vorwort beisteuert, verdienen aufgrund ihrer Eindringlichkeit Lob. Die Therapievorschläge sind freilich etwas allgemein und greifen immer wieder auf das Vokabular der Multikulti-Propaganda zurück.

Michael Ley: Der Selbstmord des Abendlandes. Die Islamisierung Europas. Hintergrund-Verlag, Osnabrück 2015, broschiert, 252 Seiten, 18,90 Euro