© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/15 / 20. November 2015

Razzien wegen „rechtslastiger“ Facebook-Einträge
Zensur ist der falsche Weg
Ronald Gläser

Wenn in China oder der Türkei Regimegegner gegängelt werden, protestieren sofort Gutmenschen aller Schattierungen gegen Menschenrechtsverletzungen. Zu Recht. Aber wehe, wenn jemand bei uns ins Visier der Behörden gerät! Dann werden massive Eingriffe in Bürgerrechte achselzuckend hingenommen. So geschehen nach den Razzien bei zehn Facebook-Nutzern in Berlin vor einer Woche. 60 Polizisten haben Bürgern ihre Handys und Computer abgenommen. 

Warum? Wir wissen es nicht. Vielleicht schrieben sie unappetitliches, rassistisches Zeug. Vielleicht auch nicht. Polizei und Staatsanwaltschaft haben nur mitgeteilt, die Razzien seien wegen „rechtsgerichteter Hetzbeiträge“ erfolgt. Mehr war auch auf Nachfrage nicht zu erfahren. Dahinter steckt Kalkül. Der Staat will Facebook und die Nutzer einschüchtern. Kritik an der Asylpolitik soll im Zweifel lieber nicht gepostet werden. Herzlich willkommen im Land der „Schere im Kopf“.

Vergleichbares gegen Linksextremisten ist nicht bekannt. Sie können im Netz den Brandanschlag auf Beatrix von Storchs PKW feiern („trauert ihrem Auto nach“) oder Erika Steinbach den Suizid nahelegen („kotzhäßliche Nazi-Tochter, friß Zyankali“). Dessentwegen gibt es keine Razzia. Zu Recht. Denn es mag furchtbar sein. Aber wir haben Meinungsfreiheit. Diese Freiheit muß auch für Äußerungen gelten, die politisch unkorrekt oder zutiefst abstoßend sind.