© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/15 / 20. November 2015

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Heimat in Häppchen
Christian Vollradt

Das kurze Posieren für die Fotografen scheint der Bundesinnenminister diesmal sichtlich zu genießen. Kein Wunder, denn die junge Frau mit den langen blonden Haaren und der schwarzrotgoldenen Schärpe neben Thomas de Maizière (CDU) ist die amtierende Miss Germany. Daß Olga Hoffmann aus Münster ins Ministerium nach Alt-Moabit gekommen ist, hängt mit ihrer Herkunft zusammen: Denn sie wurde in der Ukraine geboren und entstammt der dort ansässigen deutschen Minderheit. 

„Heimat – Identität – Glaube“ lautete das Motto der Zusammenkunft, zu der – neben de Maizière auch der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk (CSU), am vergangenen Freitag geladen hatte. Gäste waren in erster Linie Repräsentanten verschiedener Minderheiten, sowohl deutscher im Ausland als auch nationaler Minderheiten in Deutschland. 

„Ist der Titel nicht vielleicht etwas altmodisch?“ fragte der Bundesinnenminister in seiner Eröffnungsrede, um die rhetorische Frage gleich danach entschieden zu verneinen. Was geht das unsere Gesellschaft an, was ist die Basis? Dies seien nach wie vor aktuelle Fragen. Die begriffliche Trias solle zum Nachdenken anregen, Neugier wecken, so der Minister. „Es ist kein Zufall, daß die Identität in der Mitte steht, flankiert von Heimat und Glauben. Heimat ist kein Alltagsbegriff, anders als das Wort Zuhause. „Wohl aber kenne jeder die Heimatgefühle, verbunden mit Orten der Kindheit. Wobei er augenzwinkernd einschränkt: „Meine Heimat als Soldatenkind war ja der Möbelwagen.“ 

Auch einen fatalen Denkfehler benennt de Maizière: „In Deutschland dachten wir, die Bedeutung des Glaubens nehme ab. Doch überall sonst auf der Welt steigt sie. Gerade durch die Zuwanderer werden wir damit konfrontiert. Das ist eine Herausforderung!“

Für Olga Hoffmann ist Deutschland die eigentliche Heimat, bekennt sie. Dort, wo sie Familie und Freunde hat. Aber wenn sie zu Verwandten in ihr Geburtsland reise, überkomme sie angesichts der aus der Kindheit vertrauten Gerüche ein wohliges Gefühl: „Dann bekomme ich richtig Gänsehaut. Aber genau so geht es mir auch, wenn ich wieder zurück nach Deutschland komme.“

Apropos Gänsehaut: Dafür sorgte die junge friesische Sängerin Norma Schulz mit einem Chanson auf ihre Heimat Föhr: „So seeker üüs det weler komt, kem ik tu de, tu de min eilun feer.“ (So sicher wie das Wasser wiederkommt, komm ich zu dir, zu dir, meine Insel Föhr).

So ambitioniert das Thema war, so blieb nach der Veranstaltung leider zu viel offen. Das lag am insgesamt zu anekdotisch geratenen Häppchen-Charakter der Auftritte. Da sollten möglichst viele Volksgruppen zu Wort kommen, was eindeutig zu Lasten von Tiefe, Reflextion – und kritischen Punkten ging. 

Einer Vertiefung wert gewesen wäre zum Beispiel eine rückblickende Feststellung des rußlanddeutschen Bundestagsabgeordneten Heinrich Zertik (CDU), die aufhorchen ließ: „Wir haben uns nicht integriert, sondern wir haben uns beheimatet!“