© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/15 / 20. November 2015

Kampf gegen den Terror auf dem Dienstweg
Innere Sicherheit: Eine Berliner Veranstaltung über Islamismus und Islamfeindlichkeit zeigt die Grenzen der Gefahrenabwehr auf
Cornelius Persdorf

Erhart Körting (SPD) nimmt es mit den Worten sehr genau: „Den Begriff des Islamismus vermeide ich. Ich spreche lieber vom islamistischen Extremismus.“ Der ehemalige Berliner Innensenator sprach vergangene Woche gewohnt ruhig vor einem etwa 70köpfigen Publikum in der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Anlaß war die Vorstellung des Sammelbandes „Handlungsempfehlungen zur Auseinandersetzung mit islamistischem Extremismus und Islamfeindlichkeit“. Zu diesem  Zeitpunkt ahnte indes noch niemand, daß wenig später das Thema durch die Terroranschläge von Paris eine ganz besondere Aktualität bekommen würde.

Sehr wahrscheinlich hätte Körting dann andere Schwerpunkte gesetzt. So beschäftigte sich der SPD-Politiker unter anderem mit „zunehmenden rechten Strömungen“ in Deutschland. Den Entschluß seines Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel, mit den Organisatoren von Pegida zu reden, verteidigt er: „Ich halte es für richtig, auch einmal zuzuhören.“ Sowohl bei muslimischen Extremisten wie bei Pegida-Anhängern gelte, man dürfe die Köpfe nicht verloren geben. 

Kaum Personal für Elterngespräche

Allerdings habe dies auch Grenzen: „Ich würde mich nicht mit Herrn Gauland zusammensetzen, oder Frau Petry. Ich glaube, ein guter Psychiater wäre da gut gewesen“, scherzt Körting, der die beiden offensichtlich Pegida zuordnet. 

 „Ich gebe zu, ich habe es noch nicht vollständig gelesen“, bekannte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), freimütig. Dementsprechend spielte der Inhalt des Buches bei ihr kaum eine Rolle. Die Staatsministerin beklagte sich stattdessen über Bürger in ihrer Sprechstunde, „die mir mit irgendwelchen Suren kommen“, in denen beispielsweise die Unterordnung der Ehefrau vorgeschrieben wird. Dann plaudert sie von ihrem jüngsten Polen-Besuch: Ethnische Homogenität sei „keine Garantie, daß man sich in dieser Gesellschaft sicherer fühlt.“ Manchem Zuhörer war das zuwenig. „Bis jetzt kam noch wenig Konkretes“, lautete ein Fazit.Tatsächlich bestand ein Großteil des Kongresses aus der Klage über die „Angst vor dem Islam“ und aus der Vorstellung „integrationsfördernder Maßnahmen“. 

Echte Informationen kamen schließlich von denen, die im Feld arbeiten: Claudia Dantschke (Portrait Seite 3) etwa, die Leiterin der Beratungsstelle „Hayat“ (türkisch: Leben), gab Einblicke in ihre Arbeit. Mit Begriffsklaubereien hielt sie sich dabei nicht unnötig auf: „Entscheidend ist die Freiheitsfeindlichkeit“, ansonsten dürften Jugendliche leben, wie sie wollen. Mit dem – im günstigsten Fall – besorgten Anruf der Mutter eines sich Radikalisierenden begänne ihre Präventionsarbeit – und zwar problematisch. „Meistens sind die Eltern völlig hysterisiert.“ 

Dies sei der erste Punkt, wo die Hilfe der Beratungsstelle ansetze. Zunächst einmal müsse die Mutter beruhigt und davor bewahrt werden, gleich den ersten entscheidenden Fehler zu machen: das Verhalten ihres Schützlings sofort zu bewerten, und zwar negativ. „Stattdessen muß man die jungen Menschen fragen: Was wünschst du dir wirklich?“ Schließlich sei die Hinwendung zum Dschihadismus nur eine Möglichkeit, „zu einer Elite zu gehören, zu fühlen: Ich bin wichtig. Ich werde gebraucht.“ Schonungslos erzählte Dantschke von zehn „salafistischen Hotspots“ allein in Berlin. Ein besonders prominenter Fall sei die Al-Khalil-Moschee, die junge Muslime für den Krieg in Syrien vermittelt.Dantschke redet offen von den Grenzen ihres Engagements: Für Elterngespräche und Hausbesuche, mit denen sie versucht, die Beziehung zu den gefährdeten Muslimen zu verbessern, stehen lediglich sechs Personen zur Verfügung.

Anders liegen die Probleme von Hazim Fuad vom Landeskriminalamt Bremen. Der Versuch, die Radikalisierung von Schülern zu verhindern, scheitere an klassischen Kommunikationsdefiziten zwischen den Behörden: Wenn ein aufmerksamer Lehrer die Sicherheitsbehörde warnt, „blocken wir ihn ab und verweisen auf den Dienstweg“. Obwohl das Problem gefährdeter Schüler kein neues Phänomen sei, seien die Verfassungsschutzbehörden bei der Bekämpfung noch „nicht ganz eingespielt“.