© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/15 / 20. November 2015

Geld verdienen mit Prozessen
USA: Investoren stecken Geld in Gerichtsverfahren und hoffen auf eine ordentliche Rendite
Richard Stoltz

Leute, geht prozessieren, wo immer und wann immer ihr nur könnt! Es mag sein, daß ihr diesen oder jenen Prozeß verliert und viel Geld bezahlen müßt oder in andere Schwierigkeiten kommt, aber eine Genugtuung bliebe auch allemal: Ihr würdet die freie Wirtschaft in Schwung bringen. Denn diese hat soeben entdeckt, daß man beste Gewinne machen kann, wenn man in Gerichtsprozesse investiert. „Gerichts-Investitionen“, so war jetzt im Magazin der New York Times zu lesen, versprächen hohe Rendite.

„Process Investment“, so schrieb dort ein gewisser Mattathias Schwartz, „liegen im Schnittpunkt zweier amerikanischer Steckenpferde, dem Gerichtswesen und dem finanziellen Unternehmergeist, der bekanntlich alles bis hin zur Kirchenkollekte handelsfähig macht. Und das zahlt sich aus (…) Einer der jüngsten Fonds der neuen Industrie, der zwei Jahre alte Gerchen Keller Fonds, verfügt schon über ein Kapital von mehr als 840 Millionen Dollar.“ 

„Mit solchem Kapital im Rücken“, jubelt Schwartz, suchten die Investoren nun nach lukrativen Prozessen und nach Klägern, die mutige Schuldenmacher und verläßliche Rückzahler seien. „Man nimmt dazu unter Umständen auch die Hilfe ausländischer Regierungen in Anspruch, ohne viel danach zu fragen, ob und welche hochpolitischen Affären damit verbunden sind.“ Wie Aktien und Hypotheken verwandeln sich jetzt also Gerichtsverfahren aus einer Privatangelegenheit in einen Anlagegegenstand.

Frohe Botschaft für viele offenbar, etwa für die Manager des VW-Konzerns, auf die in den USA bekanntlich Prozesse mit gigantischen Kosten zukommen. „Process Investment“ steht bereit. Kleinere Prozeßhänsel freilich, vor allem solche, die Gerichtsprozesse nicht unbedingt als Anlageform wahrnehmen, sollten wohl doch lieber die Finger von ihm lassen und sich mit ihren Prozeßgegnern so schnell wie möglich und ohne allzu großen Finanzaufwand gütlich einigen.