© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/15 / 27. November 2015

Ein Schlag in den Rücken
Rußland: Der Abschuß eines russischen Kampfjets sorgt in Moskau für heftige Reaktionen
Thomas Fasbender

Aufs schärfste verurteilte der russische Präsident Wladimir Putin den Abschuß eines russischen Kampfflugzeugs vom Typ Su-24 durch türkische Abfangjäger am Dienstag. „Einen Schlag in den Rücken von der Hand der Helfershelfer des Terrorismus“ nannte er den Akt am gleichen Tag live im russischen Fernsehen.

„Wir wissen zuverlässig, daß die Maschine sich im syrischen Luftraum befand“, hatte zuvor die Reaktion aus dem russischen Verteidigungsministerium gelautet. Die erste offizielle Bestätigung kam aus dem türkischen Generalstab: Ein fremdes Flugzeug unbekannter Nationalität habe den türkischen Luftraum verletzt, sei binnen fünf Minuten zehnmal gewarnt und um 8.20 Uhr MEZ den internationalen Einsatzregeln gemäß abgeschossen worden. Im Internet verbreiteten sich Videos mit Aufnahmen der brennenden Maschine sowie zweier weißer Fallschirme vor strahlend blauem Himmel.

Wenige Stunden später tauchten Videos und Bilder auf, die die Reste eines Fallschirms und die uniformierte, übel zugerichtete Leiche eines Mannes zeigten. Seine Abzeichen waren identisch mit denen russischer Piloten des Luftstützpunkts in Latakia. Anhand der Videos war die Todesursache nicht zu erkennen, allerdings hieß es, syrische Rebellen turkmenischer Herkunft hätten ihn umgebracht.

Die Absturzstelle befindet sich im Norden der syrischen Provinz Latakia. Dort leben türkischstämmige Syrer, sogenannte Turkmenen – Nachkommen türkischer Siedler unter dem Osmanischen Reich. Viele von ihnen kämpfen im Bürgerkrieg gegen die Regierung in Damaskus und gegen deren russische Verbündete.

In seiner Fernsehansprache nahm Putin kein Blatt vor den Mund. Der Angriff auf den russischen Jet werde „ernsthafte Auswirkungen“ auf die russisch-türkischen Beziehungen haben. Der Türkei warf er vor, die Terrorgruppe IS durch den Ankauf von Öl zu finanzieren und sogar die Nato in den Dienst des IS stellen zu wollen. Unmittelbar zuvor hatte der Präsident in Sotschi den jordanischen König Abdullah II. getroffen.

Der Vorfall ist heikel. Elf Kriege, die immer sowohl religiös als auch machtpolitisch motiviert waren, haben Rußland und die Türkei in der Vergangenheit ausgefochten. 

Unter den Präsidenten Erdogan und Putin wächst das Selbstbewußtsein beider Staaten erneut. Auch die alte Rivalität um regionalen Einfluß kehrt zurück. Hinzu kommt die Nato-Mitgliedschaft der Türkei; sie macht jeden Konflikt der beiden Staaten sofort weltpolitisch brisant.