© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/15 / 27. November 2015

Hat er oder hat er nicht?
Nachdem die „Welt“ Matthias Matussek entlassen hat, haben nun die Juristen das Wort
Gernot Facius

Tagelang herrschte Funkstille auf der sonst rege genutzten Facebook-Seite von Matthias Matussek (61). Was der Journalist dann schreibt, klingt so gar nicht nach dem temperamentvollen Rauhbein: „Allen, die mich in den letzten Tagen unterstützt haben, mir Trost und Mut zugesprochen haben, für ihre Gedanken und Gebete –Danke! Wer weiß, was werden wird, ich werde auf alle Fälle meinen Prinzipien treu bleiben.“ 

Der nächste Eintrag ist dann wieder echter Matussek. „Spiegel-Online, total durchgeknallt“, schreibt er dort und zitiert aus einem Text des Nachrichtenmagazins, wonach ein ganzes islamistisches „Angreiferteam“ über die Flüchtlingsroute nach Paris gekommen sei. Es ist die späte Genugtuung Matusseks. Natürlich richtet sich der Begriff „durchgeknallt“ nicht gegen den Spiegel. Er richtet sich gegen die Welt. Beziehungsweise den Chefredakteur des Springer-Blattes, Jan-Eric Peters, der Matussek in der vergangenen Woche den Stuhl vor die Tür setzte und ihn fristlos aus der Redaktion warf. Peters hatte in derselben Wortwahl („durchgeknallt“) über einen Beitrag Matusseks geschrieben, den dieser nach den Terroranschlägen auf Paris auf Facebook veröffentlichte. 

„Er ist ein genialer Journalist“

„Ich schätze mal“, hatte Matussek, Träger des renommierten Kisch-Preises, unter dem Eindruck der Anschläge gepostet, „der Terror von Paris wird auch unsere Debatten über offene Grenzen und eine Viertelmillion unregistrierter islamischer Männer im Land in eine ganz neue, frische Richtung bewegen.“ Am Ende dieses Satzes stand ein lächelndes Smiley, von seinem Urheber später korrigiert. Kai Diekmann – als Bild-Chef nicht gerade moralische Instanz in Sachen Journalismus – sekundierte Peters und kommentierte: „Ekelhaft!“ 

Dreh- und Angelpunkt des Falles ist dann eine Welt-Redaktionskonferenz, über deren Verlauf es mittlerweile völlig unterschiedliche Versionen gibt 

Der Branchendienst Meedia berichtete unter Berufung auf Verlagskreise, Matussek habe Peters während der Redaktionskonferenz als „durchgeknalltes Arschloch“ bezeichnet. Der Anwalt des Geschaßten, Joachim Steinhöfel, dagegen gab an, sein Mandant habe gar nicht an der Konferenz teilgenommen. Und: „Herr Matussek ist heute anwaltlich gegen die Verbreitung der Behauptung, er ‘solle’ bestimmte Verbalinjurien geäußert haben, vorgegangen und hat eine Unterlassungsverpflichtung verlangt.“ Im Klartext heißt das, der Publizist war nicht vor Ort und hat niemanden beleidigt. Meedia hält an seiner Version fest. Matussek sei „physisch präsent“ gewesen, schreibt der Branchendienst. Dafür und für die Beleidigungen gebe es „genügend Zeugen“. Nennen konnte das Medium allerdings keinen. Springer teilte auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT lediglich mit, „zu den Gründen der Trennung von Matthias Mattusek als Welt-Autor und Details zum Ablauf“ werde keine Auskunft gegeben. Steinhöfel gab gegenüber der JF an, er wolle in der Sache derzeit keine öffentlichen Erklärungen abgeben.

Aber selbst wenn es so gesagt wurde: Eine Redaktion ist kein Mädchenpensionat, in ihr dürfen schon mal die Fetzen fliegen. Die Frage ist im konkreten Fall: Wurde ein Vorwand gesucht, um einen eigenwilligen Kollegen zu entsorgen? Matussek ist ein Temperamentsbolzen. Das wußte der Springer-Verlag schon, als er ihn für die Welt gewann. Ihm allerdings Freude ob der Pariser Vorgänge zu unterstellen, wäre gleichwohl irre. Er habe, sagt er, keine Freude, sondern „eine Art verzweifelten Sarkasmus“ ausdrücken wollen und habe einfach nur das falsche Emoticon verwendet. Schlimm ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die Reaktion der Branche: Häme – „Problemjournalist Matthias Matussek“ titelte die taz.

Für das linksalternative Blatt aus der Berliner Rudi-Dutschke-Straße, zu dessen Unterstützern auch Kai Diekmann gehört, ist Matussek eine ewige Reizfigur. Wer wie der als katholischer „Fundamentalist“ apostrophierte ehemalige Spiegel-Mann in Talkshows bekennt, daß er Homosexualität als „Fehler der Natur“ betrachtet, gleichgeschlechtliche Liebe „defizitär“ nennt und in puncto Islam nicht auf die „Wir haben uns doch alle lieb“-Kutsche springt, ist in dem gleichmacherischen Milieu des Kreuzberger Zeitungsviertels zum Abschuß freigegeben. 

Zur Erinnerung: Der ehemalige Bild am Sonntag-Vize Nicolaus Fest, das ist noch nicht lange her, nahm nach einem pointiert islamkritischen Kommentar den Hut – nach einem öffentlichen Kraftwort von Diekmann. Nun also Matussek. Das alles kann wohl zynisch als „neue Kultur“ im Umgang mit meinungsstarken Kollegen genannt werden. 

Zumindest einem wird Matussek bei der Welt fehlen. Der nicht weniger meinungsstarke Alan Posener schrieb auf seiner Facebook-Seite, es tue ihm um Matussek leid. „Er ist ein genialer Journalist.“ Er bleibe sein Freund. Einstweilen haben nun also die Juristen das Wort. Es braucht nicht viel Phantasie, um vorauszusagen: Das Kapitel Welt versus Matussek ist mit der medienwirksam hinausposaunten Trennung nicht abgeschlossen. Zumindest auf der Internetseite des Blattes wird er noch als Autor geführt.