© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/15 / 04. Dezember 2015

Es gibt Grund zur Unzufriedenheit
„Lügenpresse“: DGB-nahe Stiftung erkennt Defizite bei Leitmedien, blendet aber wichtige Fakten aus
Pascal Garelmann

Volker Herres erheiterte vor einer Woche die Teilnehmer der ARD-Pressekonferenz. „Im Krieg und bei Twitter stirbt die Wahrheit zuerst“,  schmunzelte der ARD-Programmchef. Um dann ernst hinzuzufügen, es gebe eine kritische Bewertung der Medien: „Sie alle kennen das Unwort ‘Lügenpresse’, das sich viele zu eigen machen.“ Indem er Twitter und die Unwahrheit in einem Atemzug nannte, hat Herres geschickt davon abgelenkt, daß der Kurznachrichtendienst oft dazu dient, Falschmeldungen der Leitmedien zu enttarnen. 

Auch die DGB-nahe Otto-Brenner-Stiftung beschäftigt sich aktuell mit Medienkritik. Mit einer Studie will sie die Ursachen der medialen Vertrauenskrise ergründen. Ergebnis: Es gibt Grund zur Unzufriedenheit mit den Medien – das wird in der Studie konzediert. 

„Ein Reputationsverlust ist bei vielen Themen festzustellen“, schreibt der Geschäftsführer der Stiftung, Jupp Legrand. Der Gewerkschafter listet zahlreiche Kritikpunkte auf, mit denen er ins Schwarze trifft: Die Kritik an der Ukraine-Berichterstattung und an der Griechenlandkrise sei berechtigterweise „breit und laut“; die mediale Aufarbeitung der Germanwings-Katastrophe sei „kein preisverdächtiges Meisterstück“ gewesen; beim Aufdecken des „NSU-Skandals“ seien Fehler gemacht worden; beim Rücktritt des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff hätten sich „auch Teile der großen Qualitätsmedien nicht mit Ruhm bekleckert“. So weit, so zutreffend. Die Leser sind frustriert über  so offensichtliche Manipulationen wie jene Bild-Schlagzeile vor einer Woche, die den Eindruck erwecken konnte, die Russen hätten ein türkisches Flugzeug abgeschossen. In Wahrheit war das Gegenteil der Fall. 

Leider arbeitet die Studie mit einer typischen linken Einseitigkeit: Medienkritik von links oder aus der Mitte ist kritisch und emanzipatorisch, Medienkritik von rechts ist von vornherein schmuddelig und verschwörungstheoretisch. 

Breiten Raum erhält beispielsweise ein Interview mit Maren Müller vom Verein Ständige Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien e.V. Müller, die sich in der Linkspartei engagierte und für die SPD im Stadtrat von Borna (Sachsen) saß, erregt sich über die „Heute-Show“, die eine AfD-Gegnerin fälschlicherweise „als AfD-nah charakterisiert“ habe. Das ZDF hatte diesen Fehler allerdings eingeräumt – eine Einsicht, die bei der Berichterstattung über die AfD oftmals fehlte. Doch davon natürlich kein Wort bei Müller.

Linke Medienkritik ist    fortschrittlich, rechte nicht

Für Medienkritiker aus rechten Kreisen zeigt die Studie derweil weniger Verständnis. Vereine, die sich gegen „die angeblich linken öffentlich-rechtlichen Sender“ richten, sind schon aufgrund dieser Definition nicht ernst zu nehmen. Bürger fragen Journalisten e.V. etwa, der sich in den 1980er Jahren nach eigenen Worten gegen einen „von Ideologie und Wirtschaftsfeindlichkeit geprägten Journalismus“ gewandt habe. Der Verband wird in der Studie als „stark beeinflußt von der Kraftwerks- und der Pharma-Lobby“ denunziert. „So berichtete es jedenfalls seinerzeit der Spiegel“, schreibt die Studie, um damit gleich selbst ein Beispiel für unkritischen Rudeljournalismus abzugeben. 

Zu Recht kritisiert die Studie den ARD-Moderator Markus Lanz, der die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht „auf ziemlich unsouveräne Weise propagandistisch und inkompetent“ angegriffen habe. Über den Umgang des öffentlich-rechtlichen Fernsehens mit AfD-Politikern, der sich um einiges übler gestaltet, schweigt sich die Studie indessen aus. Medienmanipulation liegt nach Auffassung der Studie offenbar nur dann vor, wenn die Manipulation dem falschen Klassenstandpunkt dient.

Ähnlich unglaubwürdig ist ein Interview mit der medienpolitischen Sprecherin der Grünen, Tabea Rößner.  Mit dem ZDF-Staatsvertrag habe man die Möglichkeit verpaßt, „dem ZDF eine gesellschaftsnahe Aufsicht zu geben“. Parteienvertreter seien aus den Aufsichtsgremien geflogen, während Landesregierungen und Bundesregierung weiterhin vertreten seien. Die „Parteienvielfalt Deutschlands“ werde somit nicht widergespiegelt, „sondern die politische Sphäre allein von Ministerpräsidenten und Regierungsvertretern der beiden großen politischen Lager abgebildet“. Rößner würde ihre durchsichtige Kritik wohl nicht äußern, wenn die Grünen selbst zu diesen „großen politischen Lagern“ gehören würden. 

Ohnehin ist es für die Autoren der Studie sonnenklar: Es müsse dafür gesorgt werden, „daß Hate-Speech und ‘Lügenpresse’-Beschimpfungen im medialen Dialog keinen zu großen Raum einnehmen“. Die konkreten Anlässe, die zur Pegida-Vokabel „Lügenpresse“ führten, werden in der Studie freilich nirgendwo erörtert.

Fritz Wolf: Wir sind das Publikum – Autoritätsverlust der Medien und Zwang zum Dialog. Otto Brenner Stiftung 2015, broschiert, 86 Seiten, kostenfrei