© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/15 / 04. Dezember 2015

Frisch gepresst

Schlesien. Wer sich bisher über die mit Herrenhäusern und Schlössern übersäte Kulturlandschaft Schlesiens rasch informieren wollte, griff zu einem Bändchen von Helmut Sieber, das 1957 erstmals erschienen war. Gestützt nur auf ältere Literatur und Zeitzeugeninformationen, ohne Zugang ins ethnisch weitgehend „gesäuberte“ Schlesien, konnte Sieber gut zehn Jahre nach der Vertreibung wenig mehr bieten als eine grobe, an historischer Bedeutung und architektonischem Rang orientierte Auswahl. Höhere Ansprüche befriedigten dann zwei stattliche, aus dem Nachlaß des Provinzialkonservators Günther Grundmann (1892–1976) edierte Bände, die allerdings nur bis zu den „Schlössern und Festen Häusern“ aus der Renaissancezeit gediehen waren, sowie der „Dehio-Schlesien“, mit seinen zumeist zu kärglichen Artikeln. Verglichen damit ist der jetzt erschienene erste, 150 Adelssitze Niederschlesiens vorstellende Band einer „Kleinen Kulturgeschichte der schlesischen Schlösser“ also nicht nur quantitativ ein gewaltiger Sprung nach vorn. Zu danken ist das Kompendium sechs deutschen und drei polnischen Autoren, die unabhängig von staatlicher Förderung auf engstem Raum ein Maximum an Wissen über eine preußische Provinz offerieren, deren, wie der Herausgeber eingangs beklagt, Adelskultur „auf deutscher Seite publizistisch kaum noch wahrgenommen“ wird. (wm)

Arne Franke (Hrsg.): Kleine Kulturgeschichte der schlesischen Schlösser, Band 1: Niederschlesien. Bergstadtverlag, Görlitz 2015, gebunden, 404 Seiten, Abbildungen,  29,90 Euro





Breslau. Im Vorwort zu seinem wunderbaren Streifzug durch die in schönsten Farben erstrahlende schlesische Hauptstadt wähnt der polnische Kunstfotograf Breslau noch 1989 „am Boden liegend“. Tatsächlich war die Odermetropole damals grau, und nur die zahlreichen deutschen Heimwehtouristen wußten mit dem jahrhundertealten Erbe etwas anzufangen. 25 Jahre später beeindruckt nicht nur die schick restaurierte Architektur der pulsierenden Metropole, sondern auch das polnische Fremdeln mit der deutschen Geschichte hat aufgehört. Tatsächlich profitiert der Liebreiz des heutigen Touristenmagneten sogar von der Tristesse des Kommunismus: Anders als westliche Großstädte blieb Breslau nämlich von städteplanerischen Nachkriegsscheußlichkeiten ebenso wie von orientalisch geprägten Schmuddelvierteln verschont. (bä)

Marek Maruszak: Breslau zum Verlieben. Senfkorn Verlag, Görlitz 2015, gebunden, 107 Seiten, Abbildungen, 19,90 Euro