© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/15 / 11. Dezember 2015

Sachverständigenrat fordert teilweise Krankschreibung
Schonarbeitsplätze
Jörg Fischer

Geht es um die Asylkrise, spielen zehn Milliarden Euro mehr oder weniger keine Rolle. Wegen der „Schutzsuchenden“ sei das alternativlos, da sind sich Bundespolitik, Medien, Gewerkschaften und Wirtschaft einig. Geht es ums Krankengeld für gesetzlich Versicherte, sind offenbar selbst 5,30 Euro ausreichend, um den Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR) zu beauftragen, radikale Sparkonzepte vorzulegen.

Von im Schnitt 52,83 auf 58,13 Euro ist zwischen 2006 und 2014 das Tagegeld gestiegen. Die Versichertenzahl stieg von 26,6 auf 29,3 Millionen. Das scheint trotz Inflation und Beschäftigungszuwachs offenbar unbezahlbar. Dabei ist schon der Vergleichszeitraum fragwürdig: 2006 war der Anteil des Krankengelds an den Leistungsausgaben der Kassen mit 4,12 Prozent extrem niedrig. 2014 waren es 5,48 Prozent, 2002 aber 5,63 und 1995 sogar 8,04 Prozent. Unter Helmut Kohl flossen 18,4 Milliarden harte D-Mark an längerfristig Erkrankte, voriges Jahr waren es nur noch 8,8 Milliarden Euro.

Der SVR kann darin „keine dramatische budgetäre Entwicklung“ erkennen. Dennoch gäbe es „Handlungsspielraum“ zur Ausgabenreduzierung, etwa durch Streichen des Krankengelds für befristet Beschäftigte oder eine teilweise Krankschreibung: „Die Einstufung könnte auf 100, 75, 50 oder 25 Prozent Arbeitsunfähigkeit erfolgen und würde mit einer Verringerung der zu leistenden Arbeitszeit einhergehen.“ Der SVR spricht vom skandinavischen Vorbild – vielleicht sollte die Bundesregierung aber geschickter von „Schonarbeitsplätzen“ sprechen. Die gab es im DDR-Sozialversicherungsrecht, und dagegen kann die linke Opposition doch nichts haben, oder?

Das hat schon 1997 geklappt, als das damals auskömmliche Krankengeld prozentual auf Zonenniveau abgesenkt wurde. Auf die entstandene Versorgungslücke stürzten sich dann Versicherungskonzerne. Nur das dürfte diesmal wohl ausbleiben.