© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/15 / 11. Dezember 2015

Von Deutschlands schimmernder Wehr
Das „Marine-Nachrichtenblatt“ hat sich seit einigen Jahren als Periodikum für seefahrtbegeisterte Militärhistoriker etablieren können
Jürgen W. Schmidt

Still und unbemerkt konstituierte sich vor einigen Jahren seitens von Marineenthusiasten der „Arbeitskreis Krieg zur See 1914–1918“, welcher ab dem Jahr 2010 zweimal jährlich seine Marine-Nachrichtenblatt betitelte Fachzeitschrift herausgibt. Dahinter verbirgt sich eine 56seitige, reich bebilderte und gut redigierte seekriegshistorische Zeitschrift, welche mittels ihrer bislang 18 erschienenen Hefte bewiesen hat, daß es immer noch jede Menge Neues zum Seekrieg im Ersten Weltkrieg zu enthüllen gibt. 

In Heft 7 wurden zum Beispiel anhand von konkreten Spionagefällen die Methoden und Ergebnisse der britischen Vorkriegs-Marinespionage in Deutschland beschrieben. Der Geheimdienstexperte Hilmar-Detlef Brückner zeigte sodann 2012 im nachfolgenden Heft 8 auf, welche beträchtliche Unterstützung die deutsche Heeres-Funkaufklärung für den U-Boot-Handelskrieg leistete. Erstmals wurde hier dokumentiert, wie erfolgreich die Funkentzifferungsstellen der 6. Armee britische Marinecodes knackten. Der bereits als Sachbuchautor hervorgetretene Marineexperte Bernd Langensiepen enthüllte im selben Heft die in deutschen und internationalen Medien in den vergangenen Jahrzehnten umlaufenden Gerüchte über eine 1915 erfolgte pazifistische Matrosenmeuterei auf dem deutschen U 20 als völlig unbegründete Legende. 

Alter Raddampfer rammte 1917 deutsches U-Boot

Im vorletzten Heft Nr. 17 (1/2015) des Nachrichtenblattes erfolgte die Publikation eines besonderen marinegeschichtlichen „Schmankerls“, nämlich die des bislang unbekannten Kriegstagebuchs von Admiral Franz v. Hipper für den Zeitraum vom 17. Mai bis zum 31. Dezember 1914. Auch die nachfolgenden Hipperschen Tagebücher der Jahre 1915 bis 1918 werden demnächst, wohlkommentiert und bebildert, erscheinen. Hippers Kriegstagebuch verrät unter anderem, mit welchen großen Bauchschmerzen er Ende 1914 mit seinen Schlachtkreuzern an die Beschießung befestigter britischer Nordseehäfen ging und daß er in seiner Tagebucheintragung vom 25. November 1914 alle Verantwortung für das dabei eingegangene, ganz erhebliche Risiko auf den Chef der Hochseeflotte legt. Das unglücklich verlaufende Seegefecht an der Doggerbank vom 24. Januar 1915 sollte Hippers schlimme Vorahnungen bestätigen. 

Das aktuelle Heft 18 (2/2015) enthält hingegen mehrere bemerkenswerte Einzelaufsätze. René Greger beschreibt die Kampfhandlungen der kleinen montenegrinischen „Gebirgsmarine“ im Balkankrieg 1912/13 und im Ersten Weltkrieg. Unter der buchstäblich zu nehmenden Überschrift „Unter die Räder gekommen“ schildert Simon Schnetzke dagegen in allen Details, wie ein uralter britischer Schaufelraddampfer 1917 vor Le Havre beinahe das moderne deutsche UC 26 auf den Meeresgrund schickte. Nachdem UC 26 einige Minen ausgelegt hatte, wollte es am 6. Februar 1917 den urplötzlich vor ihm auftauchenden britischen Truppentransporter „Mona’s Queen“ (Baujahr 1885) mittels Torpedo versenken. 

Weil der U-Bootkommandant die Entfernung zum Ziel völlig überschätzte, ging nicht nur sein Torpedo vorbei, sondern das U-Boot rammte sogar das feindliche Schiff. Dabei schlug die tonnenschwere Seitenschaufel des Raddampfers dem UC 26 so schwere Wunden, daß sich U-Bootkommandant Oberleutnant Graf von Schmettow glücklich schätzen konnte, noch die rettende Mole von Zeebrügge zu erreichen. 

Wie beim von Bernd Langensiepen, Jochen Krüsmann, Karsten Klein und Dirk Nottelmann geleiteten „Arbeitskreis Seekrieg 1914–1918“ zu erfahren war, liegt beim Arbeitskreis genug aufsehenerregendes archivalisches Material vor, um die nächsten Ausgaben des Nachrichtenblattes mit weiteren spannenden Aufsätzen zu füllen. 

Neben der fortlaufenden Publikation der Hipper-Tagebücher wird es dabei auch um bislang unbekannte Erfolge des deutschen Marinenachrichtendienstes bei der Ausforschung der britischen Marine ab 1914 und um eine ganze Reihe von Beiträgen zur Schiffstypenkunde von Kriegsschiffen aus der Zeit des Ersten Weltkriegs gehen. Aktuelle und (soweit vorhanden) auch ältere Exemplare des Marine-Nachrichtenblattes sind zum Preis von 6,50 Euro zuzüglich Versandkosten bei der Redaktion des Nachrichtenblattes zu erwerben, welche von Kai Jach geleitet wird.

Kontakt: „Marine-Nachrichtenblatt“, Butjadinger Straße 37, 26125 Oldenburg 

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