© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/15 / 18. Dezember 2015

Die Verteilungswirkung des geheimen Anfa-Abkommens
Vertuschungsspiel
Philipp Bagus

Henry Ford soll einmal gesagt haben: Würden die Menschen verstehen, wie unser Geldsystem funktioniert, hätten wir eine Revolution – und zwar schon morgen früh. Und in der Tat verstehen die meisten unser Geldsystem nicht. Jede Geldmenge ist optimal, um die Tauschmittelfunktion des Geldes zu erfüllen. Hängen wir eine Null an jeden Euroschein und jedes Bankkonto, dann verzehnfacht sich die Geldmenge. Auch die Preise werden derart steigen.

Dadurch wird niemand reicher und der Euro kein besseres oder schlechteres Tauschmittel. Das gleiche gilt für den Fall, eine Null abzuziehen, also die Geldmenge zehnteln. Dann werden auch die Preise auf ein Zehntel fallen. Der Euro erfüllt dann genausogut seine Tauschmittelfunktion wie zuvor. 

Warum fordern dann einige eine Erhöhung der Geldmenge, warum wollen sie eine quantitative Lockerung von der EZB? Weil das neue Geld normalerweise nicht gleichmäßig verteilt wird. Einige erhalten mehr vom neuen Geld als andere. Die Erstempfänger können dann zu alten Preisen mehr Güter kaufen, während diejenigen, die das neue Geld erst später oder gar nicht erhalten, zusehen müssen, wie ihre reale Kaufkraft schrumpft. Es kommt zu einer Umverteilung von Spätempfängern hin zu den Frühempfängern des neuen Geldes. Und es sind selbstredend diese Frühempfänger, die sich für eine expansive Geldpolitik stark machen. Diese Umverteilung soll möglichst undurchsichtig, kompliziert und unverständlich sein, um keinen Widerstand zu erregen.

Da verwundert es wenig, wenn es die Europäische Zentralbank (EZB) an Transparenz fehlen läßt und die Erstempfänger nicht nennt. Dank des Anfa-Abkommens, dessen genauen Inhalt die EZB geheimhält, können nationale Notenbanken Wertpapiere mit eigens hergestelltem Geld kaufen und damit die Erstempfänger, also die Gewinner im monetären Umverteilungsspiel, bestimmen. Von 2006 bis Ende 2012 stiegen die Wertpapiere in den Bilanzen der Notenbanken von 214 auf 724 Milliarden Euro. Besonders die französische und italienische Notenbank kauften. Es wird weder veröffentlicht, um welche Papiere es sich handelt, noch von wem sie erworben werden.

Viel spricht dafür, daß die Notenbanken vor allem Bankpapiere und Anleihen ihres eigenen Staates kauften. Es gewinnen die Erstempfänger, wie italienische und französische Beamte, Sozialhilfeempfänger oder Banker. Es verlieren die Spätempfänger, die vor allem im Eurozonenausland zu vermuten sind. Es sind gerade diese zwischennationalen Umverteilungen, die die EZB vertuschen will und muß. Denn würden die Deutschen die Umverteilungsverluste, die sie durch den Euro erleiden, wirklich verstehen, wären die Tage des Euro gezählt – und zwar recht bald.

Agreement on Net Financial Assets (Anfa): www.ecb.europa.eu