© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/15 / 18. Dezember 2015

Zeitschriftenkritik: Tumult
Von Widerstand kann keine Rede sein
Werner Olles

Wer in Deutschland heute darauf beharrt „mitbestimmen zu wollen, mit wem er (nicht) zusammenleben möchte“ (…) werde „in die Strafecke der ‘Fremdenfeindlichkeit’ gestellt“, schreibt Frank Böckelmann, Herausgeber der Magazins Tumult, im Editorial der aktuellen Ausgabe (Winter 2015/16) der „Vierteljahresschrift für Konsensstörung“. Tatsächlich regieren hierzulande in der Asylkrise die Durchhalteparolen. Was Politiker und Medienschaffende mehrheitlich von sich geben, mutet wie das sich ins Delirium versetzende Raunen eines hypermoralischen Humanitarismus an, der sich als der Weisheit letzter Schluß intoniert. Andacht hat Denken ersetzt. 

Die Zeitschrift Tumult versucht bei der zur „Flüchtlingskrise“ umgelogenen Staatskrise „im toten Winkel der Tagesschauen“ zu ermitteln, worum es überhaupt geht. So weist Reinhard Jirgl die „Flüchtlings“-Analogie mit der Vertreibung 1945 zurück, benennt den Hauptnutznießer der „Politiklosigkeit“ Europas und erinnert in diesem Zusammenhang an Carl Schmitt: „Der Begriff des Staates setzt den Begriff des Politischen voraus.“

Während Jirgl statt für einen Schrecken ohne Ende für ein Ende mit Schrecken plädiert, fordert der Jurist Wolfgang Hetzer die Deutschen auf, endlich eine Staatsräson zu entwickeln, die den Lebensinteressen ihres Volkes im Rahmen ihrer geltenden Verfassung entspricht: „Zu einem Staat gehören ein Staatsgebiet, ein Staatsvolk und eine Staatsgewalt. Jedes Gebiet setzt begrifflich und faktisch Abgrenzung voraus.“ Doch haben die illegalen Einwanderer die Grenzen nach Deutschland nicht in einem rechtmäßigen und geordneten Verfahren überschritten. Daß die staatlichen Autoritäten dies aus „humanitären Gründen“ geduldet und nicht sanktioniert haben, sei zwar „menschlich anrührend“, Humanität aber nicht der ausschließliche Daseinszweck einer staatlich verfaßten Organisation: „Ihr vornehmster Auftrag ist der Schutz ihrer Mitglieder.“

Der Philosoph Rudolf Burger stellt fest, daß Eu-ropa seit den Türkenkriegen eine solche Invasion aus muslimischen Ländern nicht mehr erlebt hat, mit dem Unterschied freilich, daß diesmal von einem europäischen Widerstand keine Rede sein kann. Es herrsche eine „Begierde des Rettens“ (Hegel), ungeachtet der „mafiös-kriminellen Strukturen, welche die Massenwanderung ermöglichen“. Burger wundert sich, warum Hunderttausende von kräftigen jungen Männer davonlaufen, anstatt gegen den IS für ihr Land zu kämpfen. Er kommt zu dem Schluß, daß sie sich nicht wehren, weil auch Europa sich nicht gegen ihre Invasion wehrt. Komisch sei nur, daß in all den „breimäuligen Talkshows“ noch nie das Wort „Dekadenz“ gefallen sei – es wäre wohl der Schlüsselbegriff für den Mangel an Willen zur Selbstbehauptung, auf beiden Seiten. 

Weitere Beiträge von Ulrich Schacht, Andreas Raithel, Siegfried Gerlich und Ulrich Fröschle vervollständigen das lesenswerte Heft.

Kontakt: Tumult, Nürnberger Str. 32, 01187 Dresden. Das Einzelheft kostet 8 Euro, ein Jahresabo 32 Euro. 

 www.tumult-magazine.net