© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 53/15-01/16 vom 25. Dezember und 1. Januar 2016

Umwelt
Hitchcocks Alptraum
Bernd Rademacher

Saatkrähen werden durch das Bundesnaturschutzgesetz unter Artenschutz gestellt. Das ärgert Landwirte, aber auch Städter fühlen sich zunehmend von den schwarzen Huckebeinen belästigt. In Aachen, Offenburg, Jever und mehreren weiteren Gemeinden führten Krähenplagen schon zu Bürgerprotesten. Im westfälischen Soest entspann sich nun eine besondere Posse:

Rund fünftausend Saatkrähen haben in der Kleinstadt (30.000 Einwohner) über 1.200 Nester gebaut. Das bedeutet Kot auf Autos, Balkonen, Wegen und Spielplätzen – und vor allem pausenloses Gekrächze und Geschrei. Die Soester sind mit den Nerven am Ende. Doch das Gesetz erlaubt keine Jagd und nicht einmal die Entnahme der Eier aus den Nestern.

„An das Klappern von Geräuschautomaten gewöhnten sich die Tiere in kürzester Zeit.“

Die geplagten Gemeinden haben schon etliche Mittel ausprobiert, um die cleveren Krähen zu vergrämen. Künstliche Uhus erkannten die schlauen Vögel schnell als Attrappen und ignorierten sie. Auch an das Klappern von Geräuschautomaten gewöhnten sich die anpassungsfähigen Tiere in kürzester Zeit. Blinkende Lichter störten eher die Anwohner als die Krähen. Und in sichere Herkunftsländer abschieben kann man das Vogelgetier ja auch nicht.

Sogar eine kurzfristig erfolgreiche Vergrämung führt nur dazu, daß zuwandernde Krähen aus benachbarten Regionen die freien Plätze schnell einnehmen. Die Bürger sind sauer: Teilnehmer öffentlicher Anhörungen fordern „Bürgerschutz statt Krähenschutz“. Doch keine Kommune traut sich, gegen das Jagdverbot zu verstoßen. O angstvolles Deutschland!

In Soest denkt die Stadtverwaltung daher jetzt darüber nach, Bäume zu fällen, in denen die Krähen bevorzugt nisten, und bei weiteren Bäumen die Kronen auszulichten. Es sollen Bäume fallen, weil Naturromantiker Vögel schonen wollen? Ein schönes Beispiel dafür, wie gutgemeinte grüne Politik ins Gegenteil umschlägt.