© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/16 / 08. Januar 2016

„Ewiger Sonnenschein schafft Wüste“
Wirtschaftsliteratur: Wissenschaftler und Praktiker berichten über die Vor- und Nachteile werteorientierter Führung von Familienunternehmen
Christian Dorn

Das Motto „Werte fürs Leben“, Werbespruch der Fondsgesellschaft Union Investment, paßt: Was wäre die Wirtschaft ohne Werte? Und was ohne Familienunternehmen? Bilden diese doch mit 90 Prozent Anteil – bei vier Millionen Betrieben – das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Hier dominieren nicht rücksichtslose Renditeerwartungen, sondern „besondere Werte“, so die Verbandschefin der „Jungen Unternehmer“, Lencke Steiner. Bereits vor Jahren hatte die Stiftung Familienunternehmen den Sammelband „Wertewandel mitgestalten“ herausgegeben. Während diese „Ökumene der Ökonomie“ (JF 34/12) prominente Namen versammelte, besticht der Band „Werteorientierte Führung von Familienunternehmen“ durch Fachleute aus der Management-Praxis, die sich dem Wertekanon von Familienunternehmen verpflichtet sehen.

Aus Sicht der Herausgeber Nicolai Müller und Clemens Jäger zählen hierzu eine generationenübergreifende Ausrichtung, starke Mitarbeiterorientierung und der Mut zur Verantwortung. Typisch für Familienfirmen, selbst unter der Leitung von Fremdgeschäftsführern, seien flachere Hierarchien. Durch die regionale Verwurzelung, die Haftung mit Privatvermögen und die Vermischung von Betrieb und Familie seien Inhaberfamilien emotionaler involviert als das Management von Konzernen, was ein hohes Maß an Verantwortung bedinge.

Das Einführungskapitel von Clemens Jäger und Mark Joób diagnostiziert den Verlust „deutscher Tugenden“ in der Folge des Shareholder Value. Aus ihrer Sicht bestehen mehrere Problemfelder in der Wertethematik. So seien die konventionellen Wirtschaftswissenschaften defizitär. Diese führten in die Sackgasse, da der Mensch hier als Homo oeconomicus nur als „Nutzenmaximierungsmaschine“ erscheine. Grund hierfür sei die Reduzierung des Wirtschaftsprozesses auf mathematische Formeln, eine Problematik, die bereits der Mathematiker und Philosoph Frank Riedel in seinem luziden Buch „Die Schuld der Ökonomen“ (JF 48/13) dargelegt hatte, das die Pervertierung der Finanzmathematik am Beispiel der Finanzkrise aufzeigt.

Diese Problematik korrespondiere mit dem statistischen Befund, dem zufolge sich nur fünf bis zehn Prozent der Manager moralisch verhalten, 15 bis 20 Prozent unmoralisch und der große Rest amoralisch, da dieser überhaupt kein Begriffsverständnis mehr von Moral besitze. Daher seien amoralische Manager für Werte wie Rücksichtnahme, Fairneß und Wahrheit kaum empfänglich. Hinzu trete die Orientierungslosigkeit des Managements, da auch die aktuelle Wirtschaftspolitik dem Unternehmer keine ausreichende Orientierung biete.

David Zimmer, 2012 Deutschlands „Entrepreneur des Jahres“, legt in seinem Beitrag über „das werteorientierte Unternehmen“ dar, daß Organisationen, die sehr einseitig auf Leistungsorientierung setzten, am Ende nicht mehr funktionierten. Er warnt zudem vor der „Trendfalle“, die – nicht zuletzt bei Generationswechseln innerhalb von Familienunternehmen – eine Gefahr darstelle. Bemerkenswert ist auch das von Zimmer skizzierte Profil für die Mitarbeiterentwicklung, dessen einleuchtende Punkte so vielfältig erscheinen wie auch die übrigen 16 Fachbeiträge. So etwa Frank Strüvers Definition von „Lean Management“, Leonhard von Metzlers beispielhafte Skizze der eigenen, seit 340 Jahren intakten Geschäftsbank oder Nicolai Müllers Begründung, „warum Konflikte wertvoll sein können“. Trefflich interkulturell erscheint hier das als Motto vorangestellte arabische Sprichwort: „Ewiger Sonnenschein schafft Wüste.“

N. Müller, C. Jäger (Hrsg.): Werteorientierte Führung von Familienunternehmen. Springer Gabler Verlag, Wiesbaden 2015, 384 Seiten, broschiert, 39,99 Euro