© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/16 / 08. Januar 2016

Transparenz ist in der Asylkrise nicht gefragt
Pressefreiheit: Das sind die wahren Ursachen für die Verurteilung des JF-Reporters Billy Six in Bayern
Ronald Gläser

Billy Six lächelt den Mann in der Pförtnerloge eines Asylbewerberheims an und stellt sich vor: „Guten Tag, kann ich mich hier mal umsehen?“ Der Wachmann bittet ihn, kurz zu warten. Nach einer geschlagenen Stunde erscheint der Geschäftsführer mit der Polizei. Billy Six wird festgenommen und im Revier zweieinhalb Stunden lang verhört. Profilaufnahmen. Fingerabdrücke.

Für Six, der durch Auslandseinsätze in Dritte-Welt-Ländern den Umgang mit schwierigen Soldaten und Polizisten gewohnt ist, war eine solche Erfahrung in der Heimat neu: „Ich habe mich gefühlt wie ein Schwerverbrecher.“ 

Dieser Zwischenfall vom 23. April im Heim im bayerischen Freyung (JF 20/15) hatte ein juristisches Nachspiel. Vorwurf: Hausfriedensbruch. Der Staatsanwalt erhob Anklage, und der Fall kam tatsächlich vor Gericht. In der Verhandlung zitierte Six einen Artikel der Lokalpresse, in dem es hieß, jeder könne Kleiderspenden für die Asylbewerber vor Ort abgeben. Seine Argumentation: Wer eine Kleiderspende ohne Genehmigung abgeben kann, darf sich ja wohl auch für einen Besuch anmelden, ohne sich sogleich des Hausfriedensbruchs schuldig zu machen. Weit gefehlt.

Six kassierte nach einer Verhandlung, die er und sein Anwalt Bernd Roloff als Farce empfanden, eine eher milde  Geldstrafe von zehn Tagessätzen à 30 Euro. Roloff: „Das war in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht höchst fragwürdig.“ 

Das Urteil war so willkürlich wie vorhersehbar. Auch deswegen demonstrierte eine Handvoll Bürger vor dem Amtsgericht. „Wir kämpfen für einen freien Journalismus und gegen Behördenwillkür“, sagte die Anmelderin der Kundgebung, Ursula Bachhuber. 

Das war eine Woche vor Weihnachten. Doch der Streit war damit nicht vorbei. Die Staatsmacht drehte jetzt erst richtig auf. Asylbewerber, die mit Six sprachen, wurden vom Wachpersonal im Kasernenhofton ins Haus befehligt. Passanten, die mit Billy Six auf offener Straße gesehen wurden, mußten Polizeibeamten gegenüber ihre Personalien angeben. Und eine Mitteilung der Polizeipressestelle, die eine Anfrage der JF bis zum Urteilsspruch herausgezögert hatte, ergab nach dem Urteil: „In bezug auf das Asylbewerberheim sind der niederbayerischen Polizei keinerlei Vorfälle mit rechtsextremistischem Bezug bekannt.“ Geschäftsführer Herbert Graf hatte genau diese Bedrohung als Grund für die Notwendigkeit harter Zugangsregeln genannt. Alles nur zur Sicherheit der Asylbewerber. 

Das alles erinnert an einen John-

Grisham-Roman, der sich in ländlicher Idylle abspielt: Eine einzelne Person wirbelt einen Haufen Staub auf und legt sich mit einem ganzen Apparat an. Kurz vor Weihnachten trafen sich Graf und Six zu einer Aussprache. Am Entschluß von Billy Six, in Berufung zu gehen, änderte das Gespräch jedoch nichts.

Ähnlich gelagerter Fall        in Österreich

Billy Six ist kein Einzelfall im deutschsprachigen Raum. Ebenfalls im Dezember wurde die österreichische Enthüllungsplattform dossier.at zu einer Gesamtstrafe von rund 2.000 Euro verdonnert. Ihr Vergehen: Ein Kamerateam dieser investigativen Journalisten hatte im Vorjahr in Pama im Burgenland einen Film in einem Heim gedreht. In diesem Fall reichte der Betreiber einer Unterkunft gegen die linken Journalisten eine Besitzstörungsklage ein und gewann in zwei Instanzen. Journalisten dürfen Asylbewerberheime in Österreich demnach nicht ohne Genehmigung des Betreibers betreten. 

Ein Urteil wie aus dem Zeitalter des Obrigkeitsstaates. „Beide Gerichte ignorierten jedoch, daß es sich bei den Besuchen in Pama um journalistische Recherchen im öffentlichen Interesse handelte“, so die Betreiber von dossier.at. Das Landgericht Eisenstadt war in seinem 15seitigen Urteil der Auffassung, es sei auch „irrelevant, ob ein Asylbewerber die beklagte Partei dabei eingeladen habe“. Was zähle, sei einzig das Interesse des Betreibers. 

Der freie Zugang zu Heimen, die aus Steuergeldern betrieben werden, muß möglich sein. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren, was mit ihrem Geld geschieht. Nicht zuletzt deshalb haben Journalistenverbände mehrfach an die Politik appelliert, die Arbeit von Medienvertretern in Asylbewerberheimen nicht einzuschränken. So hatte der damalige DJV-Chef Michael Konken im September davor gewarnt, Asylbewerberheime abzuschotten. Er dachte dabei wohl vorwiegend an spektakuläre Fälle wie den von Thorsten Schäfer-Gümbel. Der hessische Oppositionsführer war kurz zuvor daran gehindert worden, Journalisten in ein Asylbewerberheim zu einem Termin mitzunehmen. 

Offenbar ohne Ergebnis. Denn die hier genannten Fälle und weitere Erfahrungen zeigen: Der Staat versucht, Berichterstattung im Zusammenhang mit Asylbewerberunterkünften so gut wie möglich zu verhindern. 

Das Hausrecht als Mittel zum Zweck  kommt da gerade recht. Daß der Staat bei anderer Gelegenheit sehr lax damit umgeht, wenn es ihm in den Kram paßt, hat eine Demo von Kurden im NRW-Landtag am Tag nach der Verurteilung von Billy Six gezeigt: 15 PKK-Anhänger stürmten mit Öcalan-Fahnen das Parlament und mußten von der Polizei wieder hinausgetragen werden. Obwohl sie gegen das Bannmeilengesetz und das Hausrecht verstoßen hatten, sah die Landtagspräsidentin Carina Gödecke (SPD) von einer Anzeige ab. Drei von ihnen wurden sogar eingeladen, anschließend mit Ministern zu diskutieren.


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