© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/16 / 08. Januar 2016

Frisch gepresst

Carl Schmitt. Nochmals 600 Seiten über den weltweit am stärksten rezipierten, traktierten und geschmähten deutschen Juristen des 20. Jahrhunderts! Und doch meint der Heidelberger Emeritus Volker Neumann, es habe ein Buch gerade wie seines gefehlt, eins über Schmitt als Staats- und Völkerrechtler. Ein Vergleich zumindest mit umfangreicheren Gesamtdarstellungen zeigt tatsächlich, daß Neumann, der 1980 über Schmitts Staatsbegriff promovierte, hier in den Regalmetern an CS-Literatur noch eine schmerzliche Lücke erspäht hat. Die er dann aber nur halb füllt, da seine auf den Staatsrechtler konzentrierte Monographie dem völkerrechtlichen Werk gerade einmal 60 Seiten gönnt, getragen von der mutigen Überzeugung, hier sei, juristisch-dogmatisch betrachtet, ohnehin „nicht so viel zu holen“. Überhaupt neigt Neumann zu derart zackig-unbekümmerten Benotungen, nicht selten vorgetragen im schnoddrigen 68er-Jargon, der als „Gesülze“, „ideologisches Gewäsch“ oder „Herumeiern“ verhöhnt, was man von linker Warte aus nicht begreift. Trotzdem lohnt die Lektüre, denn der Autor unterzieht die staatsrechtlichen Schriften überaus – mit seinem vergifteten Lob für Schmitts Methode und Stil  zu sprechen – „geistreichen“ Exegesen, die am Ende in den Vorschlag münden, neben dem Staatsrechtler auch den Politikwissenschaftler, neben dem Völkerrechtler den Theoretiker der Internationalen Beziehungen zu würdigen, da sich CS viel intensiver als alle „Nur-Juristen“ mit den tatsächlichen Voraussetzungen des positiven Rechts beschäftigt habe. (dg)

Volker Neumann: Carl Schmitt als Jurist. Mohr Siebeck Verlag, Tübingen 2015, gebunden, 618 Seiten, 98 Euro 





Erziehung. In seiner Analyse über den „Beziehungs- und Erziehungsnotstand“ verzichtet der Leipziger Pädagoge Ralf Hickethier darauf, einseitig der Schule den Schwarzen Peter zuzuschieben, sondern spricht die Aufgabe, kommenden Generationen ein Grundgerüst an „sozialer Kompetenz“ zu vermitteln – wie einige Sitte und Betragen heute verschwiemelt bezeichnen –, der wesentlichen Institution zu: der Familie. Da jener jedoch eine immer geringere gesellschaftliche Wertschätzung zukomme, sei „Ungezogenheit“ beinahe zwangsläufig. Hickethier bietet mit seinem kleinen Leitfaden ein wertvolles und praxistaugliches Korrektiv an. (bä)

Ralf Hickethier: Die ungezogene Gesellschaft und ihre Herausforderungen. KuK-Verlag, Leipzig 2015, broschiert, 124 Seiten, 12,80 Euro