© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/16 / 15. Januar 2016

Mülltrennung statt Zwangsheirat
Asylkrise: Hätten die Täter von Köln den Flüchtlings-Leitfaden der Konrad-Adenauer-Stiftung beachtet, wäre es Silvester friedlich geblieben
Fabian Schmidt-Ahmad

Im vergangenen Jahr sind eine Million Asylbewerber nach Deutschland gekommen. Mindestens. So genau weiß das aber niemand. Es könnten auch ein paar hunderttausend mehr oder weniger sein (siehe Seite 6) Die Situation ist offenkundig außer Kontrolle geraten – nicht erst seit den Ereignissen der Silvesternacht in Köln. Was macht der Deutsche, wenn seine Welt im Chaos versinkt? Er macht sich einen Plan. In diesem Fall einen Integrationsleitfaden.

„Erste Informationen für Flüchtlinge“ ist ein 140 Seiten starkes Handbuch, das die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung gemeinsam mit dem Herder-Verlag herausgegeben hat. „Dieser Leitfaden soll den Neuankömmlingen helfen, sich zu orientieren. Er soll aber auch eine Hilfe für die Menschen sein, die die Flüchtlinge in den kommenden Monaten begleiten“, schreibt Stiftungspräsident Hans-Gert Pöttering.

Auf deutsch und arabisch kann sich hier der Asylinteressierte darüber informieren, was nach der Einreise zu tun ist. Zunächst sich registrieren. „Nur dann kann er die verschiedenen Hilfsangebote in Anspruch nehmen.“ Sprich: Es geht ans erste Abgreifen von Leistungen. Schlafen, Essen, Hygiene, für alles wird gesorgt. „Da viele der Asylsuchenden Muslime sind, wird darauf geachtet, daß die angebotenen Mahlzeiten den islamischen Speisegesetzen entsprechen.“ Sind die Grundbedürfnisse befriedigt, geht es an die Besitzstandssicherung. Als Ziel winkt die  Premiumklasse. Wer sich unter anderem aufgrund seiner Religion oder sexuellen Orientierung „begründet vor Verfolgung fürchtet“, kann auf die Anerkennung als Flüchtling oder Asylbewerber – so ganz klar ist der Unterschied hier nicht – hoffen.

Wer diese Hürde gemeistert hat, darf sich noch mehr Leistungen gönnen. „Anerkannte Flüchtlinge sind ausdrücklich befugt, sich eine eigene Wohnung zu suchen. Sie bekommen Wohngeld und haben Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein und damit auf eine günstige Sozialwohnung.“ Doch auch wer hier zunächst scheitert, für den ist noch nicht Schluß. Geduldet wird, für den die Rückkehr „eine konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit darstellt“. Wer hier „eine gute Bleibeperspektive bescheinigt bekommt“, der darf auch Integrationskurse besuchen. Hier geht es dann um ein Arrangement mit den verbliebenen Restdeutschen. Denn „das Durchschnittsalter der Deutschen“, belehrt die Broschüre, werde „in den nächsten Jahrzehnten kontinuierlich steigen“.

Einwanderer sollten daher die deutschen Gesetze befolgen, mahnt die Broschüre. So könne es sein, „daß bestimmte Traditionen oder Verhaltensweisen in der Heimat erlaubt waren, wie die Zwangsverheiratung oder die Heirat von mehreren Frauen, die hier jedoch verboten sind“. Züchtigungsrecht des Mannes gegenüber der Frau, der Eltern gegenüber ihren Kindern, überhaupt Gewalt gegen andere, alles das ist hier verboten.

Wirklich ernstzunehmen ist das wohl aber nicht: „Es gibt viele rechtliche Einzelfragen zur Praxis nichtchristlicher Religionen in Deutschland“ heißt es an anderer Stelle, zu denen die jeweiligen Gemeinden Auskunft geben könnten, wie beispielsweise die „Anerkennung polygamer Lebensformen nach islamischem Recht“. Da hört man doch gerne, daß in Deutschland „etwas mehr Frauen als Männer“ leben.

Ansonsten verrät die Broschüre mehr über die Autoren als über die Zielgruppe. „Aufgrund der Shoah hat Deutschland bis heute eine besondere Verantwortung für das Wohlergehen von Juden in der Welt und bekennt sich zum Existenzrecht Israels.“ Das dürfte wohl eher selbstreferentiell sein. Denn was viele Araber, speziell Syrer, davon halten, dürfte auch in der Konrad-Adenauer-Stiftung bekannt sein.

Das alles klingt staatstragend und soll es wohl auch sein. So wundert es nicht, daß es zu dem Leitfaden eine Art Graswurzel-Alternative gibt. Der „Refugee-Guide“ richtet sich „an Besucher, Geflüchtete und zukünftige Bürger Deutschlands“ und das gleich in fünfzehn Sprachen wie Paschtu oder Tigrinya. Wer eine weitere Sprachversion für noch mehr Weltoffenheit beisteuern kann – immer her damit.

Verfaßt wurde der Text von Studenten, die sich – natürlich – erst einmal entschuldigen. Es sei bekannt, „daß einige der Hinweise als überheblich oder abwertend empfunden werden können“, ängstigen sie sich. Dies werde „kontinuierlich kritisch hinterfragt und reflektiert“. Ansonsten geht es ums Praktische. „In der Öffentlichkeit zu urinieren, kann ein Vergehen darstellen“, heißt es. „Man sollte die Toilette möglichst sauber und trocken hinterlassen.“

Seltsam liebevolles Porträt deutscher Bürgerlichkeit 

Man merkt, die Autoren dürften schon ihre ersten Erfahrungen gesammelt haben. Hierzulande sei es im Sommer üblich, sich leicht zu bekleiden. „Es ist unhöflich, diese Menschen für längere Zeit anzusehen.“ „Lächeln wird üblicherweise nicht direkt als Flirten interpretiert, auch dann nicht, wenn man mit Fremden spricht.“ Es sei unangebracht, „sich Kindern ohne Erlaubnis der Eltern zu nähern“. Und so geht es weiter. Die Wirklichkeit, sie hält Einzug in Studentenköpfe. „Wenn jemand darum bittet, allein gelassen zu werden, sollte man dies akzeptieren. Mitmenschen zu belästigen, ob männlich oder weiblich, ist nicht erlaubt“, heißt es in dem Leitfaden, was seit den Übergriffen vom Kölner Hauptbahnhof besonders irritierend wirkt. 

 Die Autoren des Leitfadens der Konrad-Adenauer-Stiftung zeichnen streckenweise ein seltsam liebevolles Porträt deutscher Bürgerlichkeit. „Deutsche sind dafür bekannt, sich sehr umweltfreundlich zu verhalten: Sie trennen ihren Müll und verwerten ihn wieder.“ Schwer vorzustellen, daß die gleiche Personengruppe „Deutschland, du Stück Scheiße“ grölen wird. Deutsche Schizophrenie in Vollendung. Bleibt zum Schluß die Frage übrig: Was ist eigentlich mit dem erheblichen Teil der Einwanderer, der gar nicht lesen kann? Weder auf deutsch, arabisch noch sonst einer Sprache? Gibt es da auch schon einen Plan?

Foto: Willkommensfest im August 2015 im sächsischen Heidenau: Islamische Speisegesetze werden beachtet