© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/16 / 15. Januar 2016

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Hitlers „Mein Kampf“ kommentierend ediert

BERLIN. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, hat die Herausgabe der kommentierten Ausgabe von Hitlers „Mein Kampf“ durch das Institut für Zeitgeschichte (IfZ) begrüßt und seine Empfehlung bekräftigt, Auszüge daraus „zur Immunisierung Heranwachsender gegen politischen Extremismus“ im Schulunterricht zu behandeln (JF 53/15–1/16). In Frage komme die Behandlung von „Mein Kampf“ für die Oberstufe der Gymnasien und der berufsbildenden Schulen, also für 16-17jährige aufwärts. Dabei seien nur Auszüge zu behandeln, an denen nach dem Prinzip „Wehret den Anfängen“ deutlich gemacht werden könne, „in welche Katastrophen eine solche Hetzschrift führen kann“. Dafür sollte die Kultusministerkonferenz zu didaktisch-methodischen Rahmenempfehlungen finden, erklärte Kraus. Federführend sollte das Fach Geschichte sein. Flankierend könne die Behandlung des Themas und der Textauszüge auch in den Fächern Politik/Sozialkunde, Religion/Ethik und Deutsch erfolgen. Die Urheberrechte an Hitlers „Mein Kampf“, dem „meistverkauften, aber auch umstrittensten Buch deutscher Sprache“ (Sven Felix Kellerhoff in der Welt) waren Ende 2015 ausgelaufen. Die im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte herausgegebene „kritische Edition“ wurde vergangenen Freitag der Öffentlichkeit vorgestellt. Sie umfaßt etwa 2.000 Seiten in zwei Bänden und kostet 59 Euro. Scharfe Kritik an der Herausgabe hatte zuvor unter anderem Jeremy Adler (68), Professor für Deutsche Sprache und Literatur am King’s College London, geübt. Hitlers Schmähschrift inthronisiere das Unrecht als Herrschaftsprinzip, schrieb er in der Süddeutschen Zeitung. Kein anderes Werk habe „so eindeutig zu Verbrechen angeleitet“. Die Textkritik verfüge nicht über die Mittel, Aussagen zu neutralisieren. „Mag der Wille hinter der Neuausgabe noch so gut sein“, so Adler, „der Abdruck eines fragwürdigen Textes kann nur ein Ergebnis zur Folge haben: die Aussagen des Autors zu verbreiten.“ Christian Hartmann (56) vom Institut für Zeitgeschichte, der das Historikerteam leitete, das die Neu-Edition besorgt hat, erklärte in einem Interview mit den Ruhr Nachrichten, „wir wollen mit dem Projekt keinen Bestseller erschaffen“. Es gehe darum, Hitler und seiner Politik „auf den Grund zu gehen, und darum, nachvollziehen zu können, wie er gedacht hat, was seine Motive waren“. Hartmann: „Zudem wollen wir ein Symbol zerstören, dem Buch wird eine zu große Bedeutung beigemessen.“ Der israelische Historiker Moshe Zimmermann (72) sagte der Deutschen Presse-Agentur, er befürchte keinen Mißbrauch der kommentierten Neuausgabe durch Rechtsradikale in Deutschland. Sie könnten mit dem Text „kaum etwas anfangen“ – „weil er nicht aktuell ist, weil er langweilig ist“. (tha)