© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/16 / 15. Januar 2016

Nur nachgebetete Regierungspropaganda
Ergebnisoffene Wahrheitssuche war gestern: Migrationsforscher zur „Flüchtlingskrise“
Wolfgang Müller

Kaum verwunderlich: die Expertise deutscher „Migrationsforscher“ ist derzeit gefragt wie nie. Denn das Management der „Flüchtlingskrise“ giert nach wissenschaftlich zertifizierten Handlungsanweisungen. Andreas Pott vom Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (Imis) der Universität Osnabrück, Werner Schiffauer und Wolfgang Kaschuba, die ähnlichen Instituten an der Frankfurter Viadrina und an der HU Berlin vorstehen, zeigen sich daher überzeugt, ihre Stunde habe geschlagen, weil „Erkenntnisse zur Migration nun endlich in der Politik zunehmend Gehör finden“.

Was der Leipziger Journalist Benjamin Haerdle in der Deutschen Universitäts-Zeitung (Heft 12/2015) an Äußerungen aus diesen Kreisen rapportiert, klingt jedoch wenig nach Wissenschaft. Zumindest nicht, wenn man darunter wie üblich eine methodisch angeleitete, ergebnisoffene Suche nach neuen Erkenntnissen begreift. Für Pott, Schiffauer und Kaschuba steht nämlich das Resultat ihrer Forschung von vornherein fest, da sie Politik und Medien alternativlos empfehlen, den nach Europa flutenden Bevölkerungsüberschuß aus Vorderasien und Afrika aufzunehmen und zu „integrieren“. Repetition von Regierungspropaganda ersetzt hier kritische Vernunft. 

Auf diesem Niveau kann es folglich nur darum gehen, Angela Merkels Mantra nachzubeten, Abschottung sei Illusion, und vor dem „Migrationsdruck“ zu kapitulieren. Der sei nicht nur in Syrien weiterhin „sehr hoch“, sondern auch „in Ländern wie Nigeria und Senegal“, wie Haerdle Thomas Liebig zitiert, den Migrationsexperten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). 

Bei Asylbewerbern gäbe es 50.000 Studieninteressierte 

Daß es sich dabei nach seriösen Prognosen des Soziologen Gunnar Heinsohn um Größenordnungen zwischen 20 und 40 Millionen Menschen handelt, die bis 2030 in Europa allein aus der Subsahara-Zone zu erwarten wären, scheint deutsche Einwanderungs-Enthusiasten wie den seit Jahrzehnten gegen „nationale Identität“ eifernden Alt-68er Kaschuba nicht zu stören. Im Gegenteil. So sekundiert ihnen auch die sich auf diese „echte Herausforderung“ freuende Hiltraud Casper-Hehne, für „Internationales“ zuständige Vizepräsidentin der Universität Göttingen, mit dem Wunsch, deutsche Angebote für Invasoren „auf Dauer und Nachhaltigkeit zu stellen“. 

Dies sei, wie die Leipziger Philosophin Kristina Musholt in unnachahmlicher SED-Phraseologie hinzufügt, die „gesellschaftliche Verantwortung jedes Wissenschaftlers, egal welcher Fachrichtung“. Schließlich hätten die Hochschulen „ein noch deutlicheres positives Signal für Weltoffenheit und Willkommenskultur abzugeben“. Zu Erich Honeckers Zeiten hieß das kürzer: Völkerfreundschaft. Zur großen Erleichterung der Sachsen, Brandenburger, Thüringer, Mecklenburger und Pommern pflegte man sie freilich mehr rhetorisch, da ein allzu dichtes, „bereicherndes“ Auf-die-Pelle-Rücken zwischen ihnen und den vom Imperialismus und Kolonialismus befreiten Genossen aus dem globalen Süden dann doch nicht vorgesehen war. 

Casper-Hehnes Wunsch hat Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) inzwischen erhört. Die ersten 100 Millionen Euro Steuergeld für die „Integration von Flüchtlingen“ an deutschen Hochschulen wurden soeben bewilligt. Damit will Wanka unter anderem 10.000 zusätzliche Plätze in Studienkollegs alimentieren. Was nur scheinbar nicht ausreicht, legt man die „grobe Schätzung“ der sozialdemokratischen Friedrich-Ebert-Stiftung zugrunde, die von „50.000 Studieninteressierten“ unter den illegal Eingereisten ausgeht. Wahrlich extrem „grob“ geschätzt. Bedenkt man, daß Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) mit zwanzig Prozent Analphabeten und kaum 100.000, also zehn Prozent der „Flüchtlinge“ des Jahres 2015 rechnet, die den Minimalanforderungen des deutschen Arbeitsmarktes genügen. 

Nach der nebulösen Friedrich-Ebert-Zahl wären demzufolge phantastische 50 Prozent dieser halbwegs Qualifizierten bereits „Studieninteressierte“. Die Bundesvereinigung mittelständische Wirtschaft kalkuliert indes mit nur 20.000 brauchbaren Arbeitskräften unter einer Million potentieller Hartz-IV-Aspiranten. Eine realistischere Annahme, wie schon die Schlagzeilen von Philipp Vetters informativem Welt-Artikel vom 31. Dezember 2015 bestätigen: „Flüchtlinge sind die neuen Fachkräfte, hoffen Wirtschaft und Politik. Ein Blick auf die Schulbildung der Ankömmlinge zeigt: Der Abstand zu Deutschland ist erschütternd groß.“ 

Von solchen lästigen Kollisionen mit der Realität will sich das akademische Milieu aber offenbar „dauerhaft und nachhaltig“ bewahren. Trompetet doch keine Geringere als Ulrike Beisiegel, die Vizepräsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, im Geiste von „Die Einwanderung in ihrem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf“ trotzig: Deutschlands Hochschulen werde der „Internationalisierungsschub durch Flüchtlinge“ stärken, denn dies führe zu „mehr Offenheit, Transparenz und Diversität“. Angela Merkel hätte es nicht verschwurbelter ausdrücken können.