© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/16 / 15. Januar 2016

Gleichheit als Terrorprinzip
Historienroman aus der Revolutionszeit nach 1789
Daniel Tapp

Die Handlung beginnt in Wien im Jahre 1811. Der Autor setzt den Leser auf die Spur eines geheimen Ordens, der mit der Maxime „Gleichheit oder Tod“ am Ziel eines „Neuen Menschen“ in einer „Gesellschaft von Gleichen“ arbeitet. Ein junger Leutnant der kaiserlich habsburgischen Armee wird zu Baron Friedrich von Gentz, dem wichtigsten Vertrauten Metternichs, gerufen. Er erhält den Auftrag, den Indizien für eine solche Verschwörung radikaler Egalitärer im Nachklang der Französischen Revolution nachzugehen. Der Autor, S. Coell, stellt die politisch brisante Hypothese auf: Ist eine solche Verschwörung, die großräumig und generationenübergreifend wirkt, zu fassen?

Der Leutnant begibt sich mit dem brisanten Auftrag nach Frankreich und erfährt von einer Gruppe „messianischer Sozialisten“, die im Jahr 1795 einen Putsch gegen das verhaßte „Direktorium“ plante. Die Konspiranten wurden jedoch verraten und zwei Drahtzieher, François Noël Babeuf, genannt „Gracchus“, und Augustin Alexandre Darthé, endeten in Vendôme auf der Guillotine. Doch ist das auch das Ende der „Verschwörung der Gleichen“?

Die Ermittlungen des jungen Offiziers sind spannungsgeladen und werden in der Sprache eines packenden Kriminalromans beschrieben. Die Geschichte zeichnet sich durch gute historische Kenntnis und durch realitätische Schilderung der Epochen von Revolution und Restauration aus. Die profunde juristische und rechtsphilosophische Bildung des Autors ist stets spürbar. In drei eingeschobenen ausführlichen Dialogen werden grundsätzliche Fragen politisch-historischer, staatstheoretischer und allgemein ethischer Natur souverän erörtert: „Aber dennoch bin ich überzeugt, daß die Idee, alle Staaten zu einem einzigen zusammenzufassen, keinen Frieden bringen würde. (…) Ein solcher Weltstaat würde mehr Unglück stiften als alle Kriege, denen er ein Ende machen sollte“, sagt von Gentz.

Der Epilog, der uns bis ins Jahr 2003 führt und an der Überführung der Urne Herbert Marcuses nach Berlin teilnehmen läßt, löst die eingangs gestellte Frage auf geistreich-erhellende Weise. „Im Schatten des Gracchus“ liest sich spannend, ist von hohem Niveau und aktueller politischer Brisanz – Prädikat empfehlenswert!

S. Coell: Im Schatten des Gracchus. Verlag Zur Zeit W3, Wien 2015, gebunden, 244 Seiten, 24,90 Euro