© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/16 / 29. Januar 2016

Kühle Reaktion aus Düsseldorf
Nordrhein-Westfalen: Vier Wochen nach den sexuellen Übergriffen in der Silvesternacht in Köln wurden noch keine politischen Konsequenzen gezogen
Paul Humberg

Die Lebensart in Köln gilt als lässig und locker. Man orientiert sich an der Devise „Leben und leben lassen“. Doch das könnte sich nach der vorläufigen Bilanz der Ereignisse am Kölner Hauptbahnhof ändern: 1.049 Opfer (80 Prozent davon weiblich), 821 angezeigte Straftaten, 359 angezeigte Sexualdelikte, in 207 Fällen auch gleichzeitig Diebstahl, 30 Tatverdächtige, alle Nordafrikaner, 15 davon Asylbewerber, darunter zwei unbegleitete Minderjährige. 

„Et hätt noch immer jot jejange!“ Dieser Kölner Wahlspruch kann zumindest nicht mehr die Devise der rot-grünen Landesregierung unter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und ihres Innenministers Ralf Jäger (SPD) sein. Daß sich unmittelbar vor dem Kölner Dom ein alkoholisierter und enthemmter Mob scheinbar schrankenlos austoben konnte, empfinden viele Menschen an Rhein und Ruhr als Skandal. Es gibt in Nordrhein-Westfalen (NRW) eine Zeitrechnung vor und nach Köln. „Vor Köln“ schwelgten weite Teile von Presse und Politik in einer Willkommenskultur, die schon längst an ihre Grenzen gekommen war. Berichte über Probleme mit Flüchtlingen oder über kriminelle Ausländer waren weitestgehend tabu. Das hat sich geändert. Kommunalpolitiker sagten in internen Runden: Endlich dürfen wir die Probleme benennen, ohne als Rechtspopulist oder sogar als „Nazi“ denunziert zu werden.

Daß dieses Schweigekartell durchbrochen wurde, ist zunächst das einzig „Positive“, was man den Kölner Ereignissen abgewinnen kann. Aber diese neue Offenheit muß in Zukunft gegen die im Lande herrschende Politische Korrektheit jeden Tag aufs neue errungen werden. Das zeigt sich an den bislang verhaltenen Reaktionen in der Landeshauptstadt Düsseldorf: Innenminister Jäger ist immer noch im Amt, weil er eine wichtige Stütze seiner Chefin ist. Dabei ist seine Bilanz desaströs. Der Duisburger Dampfplauderer hat sich zu vielen Themen der inneren Sicherheit zu Wort gemeldet. Mal zog er gegen Salafisten und Rechtsextreme zu Felde, dann startete er öffentlichkeitswirksame Blitzmarathons, er legte sich mit Hooligans an, die sich jüngst ja auch schon einmal ungestört in Köln austoben durften. Doch die Erfolge blieben aus. Seit geraumer Zeit ist NRW ein Schlaraffenland für kriminelle ausländische Familienclans und Einbrechern. Der von Jäger repräsentierte Rechtsstaat erwies sich im bevölkerungsreichsten Bundesland als zahnlos und lasch. 

Ein Untersuchungsausschuß des Düsseldorfer Landtages soll nun Licht ins Dunkel bringen. Das Gremium könnte Jäger doch noch das Amt kosten. Hieran wird sich auch Oppositionsführer Armin Laschet (CDU) messen lassen müssen, der nicht unbedingt als Vertreter eines Law-and-Order-Kurses bekannt ist. Wenn es der bürgerlichen Opposition aus Union und Liberalen nicht gelingt, aus Jägers Versagen politisches Kapital zu schlagen, dann sind CDU und FDP in NRW nicht Teile der Problemlösung, sondern des Problems.

Auch Kraft wirkt angeschlagen. Im Mai 2017 steht die Landtagswahl an. Ihr kann nicht daran gelegen sein, daß die landespolitische Agenda bis dahin von den Themen Flüchtlinge, kriminelle Ausländer, Gewalt gegen Frauen und innere Sicherheit überlagert wird. Sie fühlt sich eher bei den soften Themen wohl und will in der Bildungspolitik „kein Kind zurücklassen“. Doch die Opfer der Kölner Schreckensnacht wurden hilflos zurückgelassen. Ihnen gegenüber zeigt sich die selbsternannte Kümmerin seltsam kühl und zurückhaltend. Vielleicht, weil es sich in Köln um die „falschen Täter“ handelte, nämlich Ausländer, fragen sich manche.

Daß in Köln und anderen Städten kriminelle Jugendliche aus Nordafrika schon seit längerem ihre Opfer „antanzen“, ausrauben und bei Widerstand äußerst brutal vorgehen, war Polizei und Landesregierung bekannt. Doch die Öffentlichkeit wurde erst jetzt über dieses Phänomen informiert.

Jäger hat sich erst einmal gerettet, da er als starke Stütze der Chefin eines äußerst schwachen Kabinetts für Kraft unentbehrlich scheint. Um sich selbst über Wasser zu halten, mußte der Polizeipräsident, ein verdienter SPD-Genosse, in die gutdotierte Pension geschickt werden. Dran glauben mußten aber vor allem die Polizisten in Köln. In beispielloser Manier hat sich der Innenminister von den Beamten distanziert und ihnen alle Schuld zugeschoben. Trotzdem ist Jäger nun in der Defensive. Jeder Fehler könnte für ihn das politische Aus bedeuten. Der Kölner Karneval könnte bereits über sein politisches Schicksal entscheiden, wenn sich der Staat in der Millionenstadt am Rhein zum wiederholten Male als impotent erweisen sollte.