© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/16 / 29. Januar 2016

EU-Harmonisierung der nationalen Einlagensicherungssysteme
Übernahme von Altlasten
Dirk Meyer

Die Quasi-Subventionierung deutscher Exporte durch den niedrigen Euro-Wechselkurs ist ein Grund für die positive Haltung der deutschen Wirtschaft zu den Euro-Rettungshilfen. Doch die Stimmung droht zu kippen: Das von der EU-Kommission ins Auge gefaßte Europäische Einlagensicherungssystem (EES) wird nun vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) als Umverteilungsmaschinerie von Ländern mit soliden Bankensystemen hin zu Ländern mit instabilen bzw. insolventen Banken gebrandmarkt.

Zu Beginn des Jahres ist die Harmonisierung der nationalen Einlagensicherungssysteme in Kraft getreten. Hiernach besteht für Spareinlagen unter 100.000 Euro ein Insolvenzschutz. Die Garantie soll aus einem nationalen Einlagensicherungsfonds gespeist werden. Die Mittel werden durch Beiträge der Banken – also vom Sparer – im Umfang von 0,8 Prozent der gesetzlich garantierten Einlagen aufgebracht. Im November 2015 hat die EU-Kommission eine europäische Einlagensicherung ins Spiel gebracht. Hiernach ist eine schrittweise Überführung der nationalen Systeme in ein EES bis 2024 geplant. Der Umfang: 45 bis 60 Milliarden Euro. Begründet wird die Vergemeinschaftung mit panikartigen Abflüssen von Einlagen in Länder mit guten Sicherungssystemen, wie sie im letzten Jahr in Griechenland stattfanden.

Nur: Griechenland war zahlungsunfähig, die Großbanken insolvent, und das Land stand vor einem Euro-Austritt. Da die Finanzstabilität der Eurozone keineswegs in Gefahr stand, waren sämtliche Hilfen (Mittel des Rettungsfonds, Notkredite der griechischen Zentralbank) ohne gesetzliche Grundlage und damit illegal. Doch auch die Folgen eines EES wären höchst problematisch.

Das als Versicherung konzipierte EES widerspricht einer Übernahme von Altlasten. Allein der Anteil notleidender, also unter Zins- und Tilgungsrückstand stehender Kredite beträgt für Griechenland 34,1 Prozent, für Zypern 45,2 und Irland 19,2 Prozent. Demgegenüber liegt der Anteil der Problemkredite in Deutschland, den Niederlanden und Luxemburg nur bei zwei bis drei Prozent. Unberücksichtigt bleiben hierbei die Kosten eines nicht ganz unwahrscheinlichen Totalausfalls von Staatsanleihen der Krisenstaaten bzw. etwaiger Schuldenschnitte.

Diese Lasten würden vergemeinschaftet und auch vom deutschen Sparer getragen. Aber die nationale Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie hätte bis Juli 2015 erfolgen müssen. In zehn Ländern, darunter Griechenland, Italien und Zypern ist dies bis Ende 2015 nicht passiert – sprich: in diesen Ländern wird nicht vorgesorgt. Während in Deutschland damit eine Absenkung des Verbraucherschutzes einhergeht, nutzen griechische Sparer die Garantie. Zukünftig wird der Nutzen aus hohen Renditen privatisiert, die Verluste bei ausfallenden Krediten aber sozialisiert – Solidarität europäisch verstanden!