© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/16 / 29. Januar 2016

Wirtschaftsvertreter sorgen sich um den EU-Binnenmarkt
Das Rundum-sorglos-Paket
Jörg Fischer

Im Sommer 2012 gab es noch kühne Pläne: „Damit Europa im globalen Wettbewerb nicht zurückfällt, müssen wir auf einen gemeinsamen Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok hinarbeiten“, forderte der Chef des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Eckhard Cordes. Dreieinhalb Jahre später ist unsicher, ob der EU-Binnenmarkt angesichts der Asylkrise noch zu halten ist.

Industrielobbyisten warnen vor Folgekosten von zehn Milliarden Euro, sollte Deutschland die Schengen-Reisefreiheit beenden, um den Flüchtlingszustrom zu begrenzen. Für DGB-Chef Reiner Hoffmann sind die offenen Binnengrenzen „die Lebensadern der europäischen Wirtschaft“. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sorgt sich um die 1,7 Millionen Grenzgänger und um die Währungsunion, denn ohne Reisefreiheit sei der Euro sinnlos.

Doch wer ist dafür verantwortlich, daß die Grenzschließung alternativlos ist? Die von Angela Merkel ausgesprochene und von den Bundestagsparteien beklatschte Einladung an alle Zufluchtsuchenden dieser Welt, nach Deutschland zu kommen? Das ist bestenfalls die halbe Wahrheit. Es waren deutsche Konzernbosse und Bankenvolkswirte, die von Fachkräften, Konjunkturprogramm und einem neuen Wirtschaftswunder durch den Flüchtlingszuzug faselten. Gewerkschafter, die sonst kein gutes Haar an Kapitalvertretern lassen, stimmten wie die EU-Granden in den wohlfeilen „Refugees welcome“-Chor mit ein.

Viele fordern, die Fluchtursachen in den Herkunftsländern zu bekämpfen. Wie das ausgeht, läßt sich am irakischen „Leuchtturm der Demokratie“ oder den failed states Libyen und Syrien studieren. Zuzugsmagnet Nummer eins ist in Wahrheit die deutsche Willkommenskultur: das Rundum-sorglos-Paket der hiesigen Steuerzahler. Das kostet pro Kopf viel mehr, als einem Deutschen oder integrierten Ausländer in einem prekären Beschäftigungsverhältnis monatlich zum Leben bleibt – oder was zehn Lehrer in Afrika verdienen.