© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/16 / 05. Februar 2016

Den Staat herausfordern
Niederlande: Ein Referendum über den Assoziierungsvertrag zwischen der EU und der Ukraine als Testballon für die Meinungsfreiheit
Mina Buts

Die Auseinandersetzung um das in den Niederlanden Anfang April stattfindende Referendum über den Assoziierungsvertrag zwischen der EU und der Ukraine gewinnt zunehmend an Fahrt. In der vergangenen Woche tauchte ein Video auf Youtube auf, in dem sechs uniformierte, maskierte und mit Kalaschnikows bewaffnete Männer des ukrainischen Freiwilligenbataillons Azov eine niederländische Fahne verbrennen und für den Fall der Ablehnung des Vertrags drohen: „Wagt es nicht, euch gegen die Ukraine zu stellen. Das wird sehr schlecht für euch enden: Wir werden euch ins Chaos stürzen. Wir haben unsere Leute in den Niederlanden, und sie sind bereit, jedem Befehl zu gehorchen.“ Zwar beeilten sich sowohl das ukranische Innenministerium als auch der Befehlshaber der Azov-Truppen, Andriy Diachenko zu erklären, das Video sei eine Fälschung und habe sicher russische Urheber. Doch für die Initiatoren des Referendums steht fest, daß „das europhile Ja-Lager“ bereit ist, auf jedwede Weise die Abstimmenden einzuschüchtern. 

Schon im Oktober streute die CIA erste Gerüchte, das von der niederländischen politisch-unkorrekten Netzseite „Geenstijl“ und dem „Bürgerforum EU“ um den konservativen Publizisten Thierry Baudet angestrengte Referendum sei von Putin bezahlt und gefördert. Dabei sammelten die beiden Organisationen 500.000 Unterschriften, um zum ersten Mal in der Geschichte der EU die Bürger eines Landes in einer Volksabstimmung nach ihrer Meinung zu fragen. Wenn auch nur 30 Prozent der Niederländer ihre Stimme abgeben und den Vertrag ablehnen, gilt die Abstimmung als gewonnen. Alle führenden niederländischen Politiker gehen davon aus, daß es so kommen wird: „Es ist ein schier unmöglicher Kraftakt, das noch zu gewinnen“, so der Europaparlamentarier Hans van Baalen von der VVD. Zwar wäre die Regierung nicht an das Votum gebunden, doch könnte sie es kaum unberücksichtigt lassen, denn die Stimmung im Land ist extrem aufgeheizt. 

Vor allem Warnungen wie die des EU-Kommissionsvorsitzenden Jean-Claude Juncker auf NRC, eine Ablehnung des Assoziierungsabkommens könne zu einer „großen kontinentalen Krise“ führen, sind von den Initiatoren des Referendums gewünscht. Dessen  Aussage jedoch, er wolle „den Bürgern nicht drohen“, wird von diesen als Warnung interpretiert. 

Dabei ist es der niederländischen Bevölkerung innerhalb weniger Monate mehrfach gelungen, durch Bürgerproteste in den jeweiligen Gemeinden den Bau von Asylbewerberheimen zu verhindern. Das schafft Selbstbewußtsein, führt aber auch die Ohnmacht des Staates vor. Als nun in Sliedrecht ebenfalls ein Bürger twitterte, ob man denn nicht auch dort gegen den Bau eines Flüchtlingsheims demonstrieren könne, wurde dieser von vier Polizisten auf seiner Arbeitsstelle abgeholt. „Geenstijl“ stand parat und führte den Bürgermeister der Gemeinde vor, warum er ausgerechnet hier die Meinungsfreiheit, die den Niederländern als eines der höchsten Güter gilt, einschränken wolle.

 Wie sehr die Stimmung kippt, belegen auch Meinungsumfragen. Die Regierungsparteien, die liberale VVD und die sozialdemokratische PvdA, kämen gerade noch auf 27 Sitze im Parlament.  Dagegen liegt die oppositionelle Partei für die Freiheit (PVV) von Geert Wilders mit prognostizierten 42 Sitzen im 150köpfigen Parlament unangefochten an der Spitze.