© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/16 / 05. Februar 2016

Der positive Finanzierungssaldo verführt zu Ausgabenlaune
Die Phantasie des Fiskus
Bruno Hollnagel

Staatsgläubige konnten vergangenes Jahr jubeln: Der Bund nahm 12,2 Milliarden mehr ein als er ausgab, die Kommunen und die Sozialversicherungen lagen mit jeweils 2,1 Milliarden im Plus. Nur die Länder verzeichneten 2015 mit 58 Millionen Euro ein kleines Defizit. Der Finanzierungssaldo des Staates kletterte daher innerhalb eines Jahres von 8,9 auf 16,4 Milliarden Euro. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg auf über drei Billionen Euro. Gleichzeitig sank der Bruttoschuldenstand von 74,9 auf 71,4 Prozent des BIP.

Wenn das kein Grund zur Freude ist. Da wird sicherlich die verschobene Streichung des Solidaritätszuschlages – brachte dem Finanzminister 10,7 Milliarden allein aus der Lohnsteuer – doch noch in Angriff genommen? Oder es wird die kalte Progression, die faktisch eine Besteuerung von Inflationsverlusten ist, endlich getilgt? Beides würde der arbeitenden Mehrheit zugute kommen.

Doch die Asylkrise fordert ihren Tribut. Deswegen will CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble die Mehreinnahmen dorthin umlenken – schließlich hat die Bundeskanzlerin Steuererhöhungen „definitiv“ ausgeschlossen. Sein Kabinettskollege Sigmar Gabriel untermauert das ökonomisch-korrekt: Flüchtlinge mit Bleibeperspektive seien ein Gewinn für Deutschland, „weil sie uns kulturell bereichern, den demographischen Wandel abmildern, den Fachkräftemangel lindern und unserem sozialen Sicherungssystem mehr Stabilität verleihen“, so der SPD-Chef im Parteiblatt Vorwärts.

Schäuble weiß aber, daß die nächste Million Schutzsuchende seinen Haushaltsplan 2016 sprengen würde. Daß die von ihm vorgeschlagene europaweite Benzin-Abgabe wegen der Landtagswahlen im März sofort dementiert wurde, heißt aber nicht, daß die Phantasie des Fiskus damit erschöpft ist: Warum nicht die Gunst der Stunde niedriger Ölpreise nutzen und beispielsweise eine Diesel- und Heizölabgabe erfinden – natürlich nur wegen des Feinstaubes und der Stickoxide.

Aus dem bundesdeutschen Straßenverkehr fließen der öffentlichen Hand jährlich über 50 Milliarden Euro an Steuern und Abgaben zu. Für Neubau und Instandhaltung der Straßen werden aber weniger als 20 Milliarden ausgegeben. Die Differenz versickert im Haushalt. Regierende Politiker schwören gerne auf die Marktwirtschaft. Geht es aber um deren Umsetzung, vergessen sie gerne eines ihrer Prinzipien: das Verursacherprinzip. 

Befände ich mich in einer lebensbedrohlichen Situation und jemand rettete mir das Leben, würde ich dankbar sein. Ich würde nicht auf die Idee kommen, von meinem Retter unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Sozialleistungen einzufordern oder gar straffällig werden. Wer sich nicht an unsere Regeln hält, hat jeden Anspruch auf Hilfe verwirkt. Allein diese Regelung würde die öffentlichen Haushalte merklich entlasten – und Steuersenkungen möglich machen.