© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/16 / 05. Februar 2016

„Es gibt auch andere, die Autos herstellen“
Taxi-Gewerbe: Gerichtsurteile bestätigen Rabattverbot / Führt mehr Marktwirtschaft zu ruinösem Preiskampf?
Christian Schreiber

Von rheinischer Fröhlichkeit war in der diesjährigen Karnevalssaison wenig zu spüren. Das lag nicht nur an der Asylkrise und ihren Folgen oder dem bunten Kundgebungstreiben. Auch die Taxifahrer in der Narrenmetropole Köln hatten wenig zu lachen. An drei Kölner Bahnhöfen, darunter auf dem Hauptbahnhof, hatte die Deutsche Bahn ihre Pachtverträge verändert. Den Zuschlag bekam nicht wie seit 1983 üblich die Taxi-Genossenschaft, sondern der Internetvermittler MyTaxi.

Die gleichnamige Smartphone-App hat in Deutschland bei den mobilen Taxi-Anwendungen laut eigenen Angaben einen Marktanteil von 40 Prozent. MyTaxi vermittelt seit 2010 Taxifahrten, doch die Startphase erwies sich als schleppend. 2014 übernahm der finanzstarke Daimler-Konzern das Hamburger Unternehmen, MyTaxi-Gründer Niclaus Mewes ist aber Geschäftsführer. Inzwischen wurde das Handyprogramm, das die Verbindung zwischen Fahrgast und Taxifahrer ohne den Umweg über die Taxi-Zentrale ermöglicht, angeblich mehr als zehn Millionen Mal heruntergeladen. 45.000 Taxen seien im Verbund angeschlossen. Konkrete Nutzerzahlen veröffentlicht MyTaxi nicht. Voriges Jahr machte MyTaxi vor allem mit einer aggressiven Preispolitik auf sich aufmerksam: „Ihre erste Fahrt geht auf uns“, hieß es, oder „50 Prozent billiger“. Im Januar wurden Rabattgutscheine von 20 und fünf Euro für Neukunden auf Portalen wie Gutscheinsammler.de angeboten.

Mutig erscheint, daß der Daimler-Konzern für den New-Economy-Deal mit MyTaxi die traditionell guten Beziehungen zur alteingesessenen Taxi-Zunft riskiert. Viele Genossenschaften haben ihre Gäste seit Jahrzehnten hauptsächlich mit der Mercedes C- oder E-Klasse transportiert – aber dieses Geschäft ist in Gefahr: „Es gibt auch andere Firmen, die Autos herstellen“, brachte ein Kölner Taxiunternehmer die Stimmungslage auf den Punkt. Und sollten künftig strengere Abgasgrenzwerte Dieseltaxis merklich verteuern, dürfte etwa Toyota mit seinem siebensitzigen Hybrid-Benziner Prius Plus bessere Chancen haben.

Die Frage, ob die MyTaxi-Rabatte rechtens sind, beschäftigt seit Monaten die Gerichte. Im Dezember sagte das Oberlandesgericht Köln nein; Ende Januar erklärte das Landgericht Frankfurt die Preisnachlässe auf behördlich festgelegte Taxitarife für rechtswidrig. „Die Höhe des gesetzlich festgelegten Preises für Taxifahrten darf weder nach oben noch nach unten unterschritten werden“, hieß es in der Urteilsbegründung. Die Genossenschaft Taxi Deutschland hatte gegen MyTaxi geklagt, weil sich die Taxi-Zentralen einem ruinösen Wettbewerb ausgesetzt sehen. Es werde „dem Kunden vorgegaukelt, daß Taxifahren billiger sein könnte, als es ist“ kritisierte Taxi Deutschland.

Genossenschaften gegen App-Vermittler

Das stimmt, denn die Taxi-Fahrer bekamen auch bei Rabattfahrten die komplette Vergütung – sprich: MyTaxi bucht die Differenz unter Werbungskosten ab.  Die im Personenbeförderungsgesetz festgelegte Tarifpflicht werde daher nicht unterlaufen, argumentiert MyTaxi. Beide Konfliktparteien kündigten an, den juristischen Kampf notfalls bis hin zum Bundesgerichtshof auszufechten.

Im Taxigeschäft herrschen nur bedingt markwirtschaftliche Regeln. Als Teil des öffentlichen Personennahverkehrs werden die über 50.000 Taxen behördlich streng reguliert. Die Fahrpreise müssen abgestimmt und regional genehmigt werden. Daher sind die Taxitarife in Hamburg oder Stuttgart hoch und in Leipzig niedriger. Innerhalb eines Tarifgebietes sind die Preise hingegen identisch. In Berlin liegt der Grundpreis bei 3,90 Euro. Für die ersten sieben Kilometer werden jeweils zwei Euro fällig, jeder weitere Kilometer kostet dann 1,50 Euro – egal ob das Taxi via Genossenschaft, MyTaxi oder Taxi.eu gerufen wurde.

Da Rabatte juristisch heikel sind, bleibt als einziges Unterscheidungsmerkmal der Service. Wie schnell und wie zuverlässig kommt das Taxi? Wer bietet die größte Fahrzeugdichte? Wie übersichtlich ist die App? Welche Einstellungs- und Zahlungsmöglichkeiten gibt es? Taxi Deutschland läuft nur auf Android- und Apple-Telefonen. Taxi.eu bietet zusätzlich Windows Phone, MyTaxi ist auch für Blackberry kompatibel.

Durch die üppigen Daimler-Finanzmittel befindet sich MyTaxi auf Expansionskurs: Im Ausland sind bislang Wien, Graz, Salzburg, Barcelona, Madrid, Valencia, Sevilla, Mailand, Warschau und Krakau verfügbar. Taxi.eu kann mit der Schweiz, den Benelux-Ländern oder Städten wie Athen, Istanbul, Kopenhagen, Lyon oder Prag aufwarten.

Die Nutzerzahlen steigen, denn die Kunden sparen sich ein mögliches Hängen in der Warteschleife. Das Mobiltelefon bestimmt via Satellitenpeilung GPS den Aufenthaltsort der Kunden, zeigt an, welche Taxen in der Nähe sind und läßt sie per Knopfdruck anrücken. Der Nutzer sieht auf dem Display außerdem das Bild des Fahrers und die Bewertungen früherer Reisender. Bisher müssen Taxi-Unternehmer pro Monat dreistellige Euro-Beträge an die Taxizentralen bezahlen. Anfangs nahm MyTaxi eine feste Provision von 69 Cent pro Fahrt. Seit 2015 sind es sieben Prozent des Fahrpreises und bei bargeldloser Bezahlung auch sieben Prozent des Trinkgeldes.

Wie der Machtkampf ausgeht, steht noch nicht fest. Aber es geht um 450 Millionen Taxifahrten in Deutschland und einen Umsatz von vier bis fünf Milliarden Euro. Und mittlerweile werden schon zehn Prozent aller Fahrten per Mobilfunk-App gebucht. Mit welcher – das sollte allein der Kunde im freien Wettbewerb entscheiden.





Taxi-Vermittlung per Telefon-App

Vor einem Jahr scheiterte das milliardenschwere US-Unternehmen Uber in Deutschland mit seinem Versuch, per Smartphone-App UberPop Taxifahrten an Anbieter ohne Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung (P-Schein) zu vermitteln. Das Ersatzangebot UberX ist derzeit nur in München verfügbar. Die neue App UberTaxi, die lokale und legale Taxifahrer an die US-Plattform vermitteln will, hat bislang gegen die deutschen Platzhirsche keine Chance: Taxi Deutschland ist eine Genossenschaft, die 2007 gegründet wurde und Fahrten der jeweiligen lokalen Taxigenossenschaft vermittelt. Neben der gleichnamigen App wird auch die mobile Taxirufnummer 22456 angeboten. Bezahlt wird mit Bargeld. MyTaxi gehört seit 2014 zum Autokonzern Daimler und ist bislang in über 40 deutschen Städten vertreten. Der Sitz von Taxi.eu befindet sich in Wien. Der Anbieter ist bislang in elf europäischen Ländern und der Türkei vertreten.

Taxi-App-Anbieter in Deutschland:

 www.taxi-deutschland.net

 de.mytaxi.com

 www.taxi.eu