© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/16 / 05. Februar 2016

Refugee-Anwälte verdienen gut
Asylindustrie: Die Weiterbildung zum Experten für Migrationsrecht stößt auf riesiges Interesse / Anwälte erwarten viele neue Mandanten
Tobias Schmidt

Groß ist die deutsche Asylindustrie, die am Flüchtlingschaos verdient. Dazu gehört die Rechtsanwaltschaft, die hinter Wohlfahrts- und Sozialverbänden häufig unbeachtet bleibt. Mitte November 2015 beschloß die Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) die Einführung des Titels „Fachanwalt für Migrationsrecht“. Dessen Einführung war noch im März 2015 knapp gescheitert. Nun hat auch das zuständige Bundesjustizministerium seine Zustimmung erteilt. Am 1. März tritt die Regelung in Kraft.

Wer Anfang Februar in der größten deutschen Rechtsprechungsdatenbank „Juris“ das Asylverfahrensgesetz als Suchbegriff eingab, stieß auf mehr als 25.000 gerichtliche Entscheidungen. Wer nur den Begriff Asylbewerber eingab, fand mehr als 35.000 Entscheidungen. Der Begriff Asylverfahren war Bestandteil von knapp 32.000 Urteilen. Spezialisierten Anwälten verschafft das Geschäft mit dem Asyl ein sicheres Einkommen. 

Wald-und-Wiesen-Anwalt     ist ein Auslaufmodell

Der neue Fachanwaltstitel trägt einerseits der Differenzierung innerhalb des Berufsstandes Rechnung. Der sogenannte Wald-und-Wiesen-Anwalt, der auf jedem Rechtsgebiet tätig wird, das Mandanten an ihn herantragen, ist ein Auslaufmodell. Heute gilt selbst die Mehrzahl der Anwälte für Verwaltungsrecht für das Ausländerrecht als zuwenig spezialisiert. Die Materie rund um Asylverfahrens- oder  Aufenthaltsgesetze ist zu komplex geworden. Einem Ausländer auf Grundlage des Staatsangehörigkeitsgesetzes neben der Verschaffung der deutschen Staatsangehörigkeit die ausländische zu erhalten, ist migrationsjuristische Königsklasse. 

Andererseits werden Fachanwaltstitel durch die BRAK nur eingeführt, wenn eine entsprechende Zahl an Fällen zu erwarten ist. Zuwachs auf dem Gebiet der Asyl- und Ausländeranwälte gilt angesichts der Entwicklung im Jahr 2015 als sicher: „Die derzeit auf diesem Gebiet tätigen Kolleginnen und Kollegen seien dem Ansturm der Neuankömmlinge nicht gewachsen. Ohne eine sofortige Qualifizierungsoffensive werde eine große Menge Rechtsuchender dauerhaft ohne kompetenten Rechtsrat auskommen müssen“, heißt es in einer Pressemitteilung der BRAK. Die nun angebotenen Fachanwaltslehrgänge verschiedener Fortbildungsträger sind seit Wochen ausgebucht, kaum daß sie angeboten wurden. 

Ausgehend von einem Gegenstandswert von 5.000 Euro für das Asylverfahren einer einzigen Person erhält ein Anwalt für die Vertretung im behördlichen und erstinstanzlichen Verfahren knapp 1.200 Euro Gebühren. Durch drei Gerichtsinstanzen sind es insgesamt rund 3.600 Euro. Hinzu kommen Gerichtskosten in Höhe von 1.752 Euro für drei Instanzen.  Bei Asylverfahren von Familien erhöht sich der Gegenstandswert je Person um 1.000 Euro.  Weitere Verfahren samt entsprechender Kosten können hinzutreten, wenn zum Beispiel gegen „aufenthaltsbeendende Maßnahmen“ vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird. Auch wenn es keine Statistiken dazu gibt, ist davon auszugehen, daß die Staatskasse regelmäßig sämtliche  Kosten im Rahmen der sogenannten Verfahrenskostenhilfe trägt. 

Stimmen, die den „Fachanwalt für Migrationsrecht“ und das Wirken der Anwaltschaft im Zuwanderungsbereich kritisieren, sind auf der Ebene beruflicher Amts- und Würdenträger nicht zu vernehmen. Wer möchte schon als Asylkritiker und Nestbeschmutzer zugleich gelten? Letztlich läßt sich zudem immer behaupten, der Kampf ums Recht sei stets ein legitimes Anliegen. Wer will dem widersprechen?  

Es stecken aber auch handfeste politische Motive hinter der anwaltlichen Asyllobby, die zu ihrer Legitimation freilich die Durchsetzung von Grund- und Menschenrechten im Munde führt. Rechtsanwalt Victor Pfaff beschreibt im aktuellen Anwaltsblatt das Entstehen der Migrationsanwälte mit bezeichnenden Worten: „Langsam bildete sich eine Garde von Anwälten, gewachsen aus der 1968er-Bewegung und ihren unterschiedlichsten Ausläufern.“ „Anwaltliche Paria“ seien sie damals noch gewesen. Pfaff selbst ist nicht irgendein Anwalt. Er trägt seit 2013 das Ehrenzeichen der Anwaltschaft, gründete im Mai 2000 gemeinsam mit weiteren 351 Anwälten die Arbeitsgemeinschaft Ausländer- und Asylrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). Nach Eigenangaben bemüht sich die Arbeitsgemeinschaft, „durch Veröffentlichungen und Veranstaltungen an der Gestaltung eines modernen Fremdenrechts mitzuwirken“. 

Im besagten Beitrag kritisiert Pfaff, die Rechtsprechung habe dem Grundrecht auf Asyl Fesseln angelegt. Dem aktuellen Staatsangehörigkeitsgesetz bescheinigt er „nationalstaatlichen Stallgeruch“. Die absichtliche Behinderung der Familienzusammenführung bei syrischen Flüchtlingen kritisiert er indirekt als Erkenntnis, daß „das Recht hinter der Macht“ gehe. Wer diesen Tonfall eigentlich aus ganz anderen Zusammenhängen kennt, wird nicht überrascht sein, daß Pfaff im Jahr 1986 die Lobbyorganisation Pro Asyl mitbegründete. Noch heute gibt der DAV gemeinsame Presserklärungen mit Pro Asyl heraus; zuletzt im November 2015, als beide Vereine die Einführung beschleunigter Asylverfahren kritisierten. 

Ein Fachanwalt für Migrationsrecht sei laut Asyllobbyist Pfaff, „wenn er seine Arbeit ernst nimmt, rechtspolitisch engagiert“. Er werde gut daran tun, nicht nur seine Pflichtfortbildungen zu besuchen. Neben seiner Arbeitsgemeinschaft für Ausländer- und Asylrecht empfiehlt er die Mitarbeit in Wohlfahrts- und Menschenrechtsorganisationen. Dieses Berufsbild beschreibt einen Überzeugungstäter, der mit seiner politischen Haltung zur Masseneinwanderung nach Deutschland seinen Lebensunterhalt bestreitet. 

Der Gegner? Ein Gesetzgeber, der „unter dem Druck der hohen Zahl ankommender Flüchtlinge der Rechtspraxis Bandagen anlegt, die nicht alle mit menschenrechtlichen Standards und verfassungsrechtlichen Grundsätzen zu vereinbaren sind“. Den jungen, angehenden  Fachanwaltskollegen verspricht Pfaff Überlastung, ein Auskommen und „viel tiefe Dankbarkeit“. Die Zeche dieser „tiefen Dankbarkeit“ zahlt der Steuerzahler, der unter dem Deckmantel des Asylrechts neue Belastungen aufgebürdet bekommt.

Foto: Ankunft von Asylanten in Berlin-Schönefeld, September 2015: Wachsende Einnahmequelle für Anwälte