© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/16 / 05. Februar 2016

Zitatenquelle für alle Geopolitiker
Der Erfolgstitel „Die einzige Weltmacht“ des US-Politikwissenschaftlers Zbigniew Brzezinski ist wieder greifbar
Peter Michael Seidel

Der ehemalige US-Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski ist ein Meister klarer Worte: „Frankreich erhofft sich durch Europa seine Wiedergeburt, Deutschland seine Erlösung.“ Was sich wie ein aktueller Kommentar zur Europapolitik liest, stammt aus dem Jahr 1997, aus dem wieder neu aufgelegten Buch des ehemaligen Beraters von US-Präsident Carter, dessen amerikanischer Titel „Das große Schachbrett“ den Inhalt weit besser wiedergibt als der deutsche über „Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft“. Denn weit über die „Pax Americana“ hinaus ist es eine Anleitung zum geopolitischen Verständnis von Weltpolitik. 

Das Buch war acht Jahre nicht mehr im deutschen Buchhandel erhältlich. Es erscheint neu zu einem Zeitpunkt, wo Krim-Annexion, Griechenland-Krise und Flüchtlingsströme den alten binneneuropäischen Konsens herausfordern, der aus der Nischenzeit des Kalten Krieges stammt, aber heute an seine Grenzen stößt. Weil die Welt eben auch ein Schachbrett ist, auf dem nüchtern und kühl kalkuliert wird. Wie das geht, zeigt die „Methode Brzezinski“.  

Brzezinski gliedert sein Buch in sieben Kapitel, die vor allem die Bedeutung Eurasiens und des rohstoffreichen Zentralasiens behandelt, aber auch die Entwicklung der EU, Rußlands und Chinas, dem er verstärkt Aufmerksamkeit widmet und dessen Wiedererstarken nach dem Zusammenbruch des Sowjetreiches bzw. dessen Aufstieg zur Weltmacht er durchaus nicht negativ wertet. Ziel des Buches ist es, „im Hinblick auf Eurasien eine umfassende und in sich geschlossene Geostrategie zu entwerfen“. Dies ist ihm gelungen, und deshalb ist auch so vieles davon nach wie vor so aktuell, und zwar nicht nur im Hinblick auf US-amerikanische Politikstrategien mit all ihren Fehlern, sondern gerade als Analyse heutiger Weltprobleme.

Dies zeigt auch das Vorwort des langjährigen deutschen Außenministers Hans-Dietrich Genscher, eine Würdigung Brzezinskis, auch wenn ihn dessen Terminologie des macht- und gleichgewichtspolitischen Denkens an frühere Zeiten „erinnert“ und er das Buch zu Recht als eine „sehr amerikanische Antwort“ auf die Größe der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts wertet: „Man kann nicht sagen, daß diese Haltung bei uns sehr verbreitet ist.“

Der Abstand dieses geostrategischen Denkens zum bundesdeutschen Politikverständnis ist enorm und trifft auch international immer weniger auf Verständnis. So spricht Ross Douthat (New York Times) jüngst von der „närrischen Illusion“, Deutschland könne sich von vergangenen Sünden durch einen rücksichtslosen Humanitarismus in der Gegenwart „erlösen“. Für den aktuell interessierten Zeitgenossen ist Brzezinskis Buch deshalb die richtige Lektüre, weil es deutschen Idealismus durch amerikanischen Realismus korrigiert. Ein Rezept für „gute“ Politik kann allerdings kein Buch sein.

Zbigniew Brzezinski: Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft. Kopp Verlag, Rottenburg 2015, gebunden, 269 Seiten, 9,95 Euro