© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/16 / 05. Februar 2016

Der Überschuß kommt zu uns
Massenmigration gibt es auch ohne Bürgerkriege
Dirk Glaser

Das nationale Desaster, das die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung verursacht hat, ist auch eine Folge des engen geistigen Horizonts des Berliner Führungspersonals. Daher täuschte man zunächst sich, dann die Bevölkerung über die Ursachen der Masseninvasion. Die waren nur zum kleineren Teil in der nahöstlichen Krisenherden zu finden. Tatsächlich handelte es sich nicht um eine humanitäre, mit Technischem Hilfswerk, viel „Wir schaffen das“-Rhetorik und allerlei Integrationsmaßnahmen zu meisternde Herausforderung, sondern um das von der politisch-medialen Klasse kaum ansatzweise begriffene Abfließen des afroasiatischen Bevölkerungsüberschusses nach Europa. 

Vor einem solchen Szenario warnen Demographen allerdings schon seit dem Ende der Ost-West-Konfrontation im Epochenjahr 1989. Globales Bevölkerungswachstum, so führt Christoph Dittrich, Professor am Institut für Geographie der Göttinger Universität aus, sei als zentraler Faktor für Ressourcenknappheit, Migration, Armut und letztlich gewaltsame Konflikte frühzeitig in den 1990ern von kanadischen und Schweizer Forschergruppen analysiert worden (Geographische Rundschau, 12/2015). 

Überbevölkerung wurde als Ursache unterschätzt

In der deutschen Forschungslandschaft, unter Federführung des „Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen“, habe man solche Modelle hingegen als „eindimensional“ und „neo-malthusianisch“ kritisiert und sich mehr mit der „Kriegsursache Umweltzerstörung“ als mit der Überbevölkerung beschäftigt. Aber der Klimawandel könnte den Migrationsdruck aus dem Süden allenfalls verstärken, er löst ihn jedoch nicht aus. Insoweit beschreibt auch die von Dittrich klassifizierte Vielfalt der Konstellationen, die bisher zu Ressourcen- und Umweltkonflikten geführt haben, eher ein Epiphänomen.

Sozioökonomische Kausalitäten seien in der Regel beachtlicher, so daß nicht mehr nur linke Theoretiker immer dringlicher fragen, ob die Logik des globalisierten neokapitalistischen Politik- und Wirtschaftssystems, das „expansive Wirtschaftsmodell des Kapitalismus“ (Harald Welzer), nicht die Transformation zu einer „reduktiven Moderne“ bei „radikaler Absenkung des Ressourcenverbrauchs verlange, um die Tragfähigkeit der Erde zu erhalten und drohende Völkerwanderungen zu verhindern.