© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/16 / 12. Februar 2016

Das Militär soll es nun richten
Griechenland: Zwischen Massenprotesten und Flüchtlingsstau bleibt nur wenig Platz für eine Politik, die die EU befriedigt
Michael Link

Es war einer der bislang stillsten Tage im Hafen von Piräus: Keine Fähre lief aus. Auch auf den griechischen Flughäfen herrschte am vergangenen Donnerstag Stillstand, Schulen und Gerichte blieben geschlossen. Ärzte in staatlichen Krankenhäusern behandelten nur Notfälle.

Der Generalstreik legte weite Teile Griechenlands lahm. Fast alle Berufsgruppen waren dem Aufruf der Gewerkschaften gefolgt. Dazu kam es in Athen und anderen Städten wie Thessaloniki, Patras, Iraklion und Volos zu Demonstrationen. Hunderttausende Menschen sind im Zuge der größten Proteste der vergangenen Jahre landesweit auf die Straßen gegangen. Hintergrund der Proteste ist die geplante Ausgabenkürzung Athens für Renten um 1,8 Milliarden Euro, um Geld aus dem dritten Hilfspaket der EU zu erhalten. Auch Freischaffende werden zur Kasse gebeten. Zudem will die Regierung Sozialversicherungsbeiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern erhöhen.

Ihre Arbeit vorübergehend niedergelegt hatten auch die Beschäftigten im öffentlichen Nahverkehr. Landwirte blockierten wichtige Straßenverbindungen. In der Folge kam es zu einem starken Verkehrsstau. Dieser wurde durch die starke Beschränkung der Anzahl einreisender Flüchtlinge seitens der mazedonischen Regierung noch verstärkt. 9.000 Menschen warteten an der Grenze auf ihre Weiterreise über die Balkanroute nach Mittel- und Nordeuropa. Mittlerweile baut Mazedonien einen zweiten Grenzzaun zur Abwehr der Flüchtlingsströme.

Seit Jahresbeginn sind täglich 2.500 Flüchtlinge in Griechenland angekommen; im gesamten Vorjahr waren es 850.000. Auf kleinen Inseln in der Nordägäis wurde die höchste Bevölkerungsbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg registriert. „In den vergangenen Monaten hat auf Griechenland ein viel größerer Druck gelastet, als es verkraften kann“, bemerkte Ministerpräsident Alexis Tsipras nun. Es handle sich um eine europäische und nicht etwa um eine griechische Krise.

Griechenland steht seit Monaten unter Druck, weil die meisten dort ankommenden Flüchtlinge ungehindert über den Balkan Richtung Österreich, Deutschland und Schweden weiterreisen konnten. Bis Mitte des Monats sollen daher nun unter Ägide des Verteidigungsministeriums auf den ägäischen Inseln Leros, Samos, Kos und Chios vier Zentren für die Registrierung und die Identifizierung ankommender Flüchtlinge (Hot Spots) fertiggestellt werden. Auf der Insel Lesbos ist ein solches Aufnahmelager bereits in Betrieb. 

Indes haben auf Kos Bewohner heftig gegen das geplante Aufnahmelager protestiert. Bei einem Besuch von Verteidigungsminister Panos Kammenos wurde dieser von einer aufgebrachten Menschenmenge mit Eiern und Flaschen beworfen.

Am vergangenen Samstag wurde dann Griechenlands Außenminister Nikos Xydakis beim Treffen der EU-Außenminister mit Vorwürfen einer unzureichenden Kontrolle von Europas Außengrenzen konfrontiert, ohne diese jedoch entkräften zu können. Nach Ansicht des EU-Kommissars für Euro und sozialen Dialog, Valdis Dombrovskis, bestünden die größten Mängel bei der Erfassung von Fingerabdrücken und bei der Überprüfung der Reisedokumente. Sollten diese Mängel nicht beseitigt werden, so wäre ein befristeter Austritt Griechenlands aus der Schengen-Zone für den Zeitraum von bis zu zwei Jahren denkbar.