© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/16 / 12. Februar 2016

Bargeld-Verbot bald auch bei uns
Währungspolitik: Nach jahrelanger Zurückhaltung schwenkt Berlin auf die „europäische Linie“ um und bereitet Obergrenzen für Barzahlungen vor

Christian Schreiber

Geht es wirklich darum, Terroristen die Finanzströme trockenzulegen? Oder hat Finanzminister Wolfgang Schäuble nicht doch noch ein Schlupfloch für Steuersünder entdeckt, welches er gerne schließen würde? Die Bundesregierung diskutiert über eine sogenannte Bargeld-Obergrenze: „Wir können uns eine Größenordnung von 5.000 Euro vorstellen“, sagte Finanzstaatssekretär Michael Meister (CDU). Er versicherte aber auch: „Das Bundesfinanzministerium ist der Meinung, es soll auch in Zukunft Bargeld geben.“ 

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte aus einem internen Papier des Ministeriums zitiert und berichtet, daß der Minister der Auffassung sei, daß Bargeld ein wichtiges Mittel zur Finanzierung des internationalen Terrorismus sei. Schäuble hat bereits Tuchfühlung zur EU-Kommission aufgenommen, die die Umsetzung der Pläne prüfen muß. „Barzahlungen sind Teil des Alltagslebens, aber auch ein gängiges Finanzierungsmittel für Terroristen“, sagte der stellvertretende Präsident der Kommission, Valdis Dombrovskis, der Tageszeitung Die Welt: „Es gibt verschiedene Optionen, unter anderem Obergrenzen für Barzahlungen und strengere Kontrollen verdächtiger Geldbewegungen an den EU-Außengrenzen.“

Aus der EU-Kommission heißt es laut FAZ aber auch, „es gebe im Kampf gegen die Terrorfinanzierung wichtigere und effizientere Schritte“. Die Bundesregierung, so Staatssekretär Meister, hoffe auf ein geschlossenes Vorgehen innerhalb der EU. „Unsere Position an dieser Stelle ist, daß wir sehr gerne einen international-europäischen Aktionsplan hätten“, sagte er, fügte aber hinzu, daß die Regierung notfalls ein eigenes Gesetz auf den Weg bringen werde. In einigen europäischen Ländern gibt es bereits eine sogenannte Obergrenze für Bargeldverkehr. Nach anfänglichen Protesten habe sich die Bevölkerung daran gewöhnt, der Nutzen für die Kriminalitätsbekämpfung sei aber bislang ausgeblieben. In Frankreich liegt die Grenze bei 3.000 Euro, in Griechenland bei der Hälfte.

83 Prozent aller Geschäfte laufen in Italien in bar ab

 Und in Italien, wo der Austausch von Scheinen gerade im Süden eine regelrechte Schattenwirtschaft finanzierte, dürfen ebenfalls Waren und Dienstleistungen nur im Wert von 3.000 Euro bar bezahlt werden. Eine Stückelung der Gesamtsumme wurde mit einer harten Strafandrohung belegt, mindestens 3.000 Euro werden dann fällig. Verboten wurde sogar der Bargeldverleih unter Freunden jenseits dieser Summe. Wie das Nachrichtenmagazin Der Spiegel unlängst berichtete, ist der Nutzen dieser Maßnahme allerdings noch nicht meßbar. Zwei Jahre nach Inkrafttreten  liefen 83 Prozent aller Finanztransaktionen immer noch in bar ab, so eine Untersuchung der italienischen Zentralbank. Im EU-Durchschnitt waren es dagegen nur 65 Prozent. Probleme habe es allenfalls im Bereich des Tourismus gegeben, etwa wenn Japaner oder Russen in Luxushotels die Rechnung in bar begleichen wollten. Die italienische Tageszeitung La Repubblica stellte aber zum „Zweijahrestag“ des Gesetzes die Frage, welche Möglichkeiten der Staat denn habe, um wirksam zu kontrollieren: „Machen wir uns nichts vor. Die Geschäfte, die man diskret betreiben will, betreibt man nach wie vor diskret. Wenn zwei sich einig sind, hat der Staat wenig Chancen, etwas zu herauszufinden.“ 

Auch in Frankreich hatten die Einschränkungen des Zahlungsverkehrs bisher keine weitreichenden Folgen. Zwar werde rund die Hälfte aller Käufe und Verkäufe in bar abgewickelt, aber gemessen am Wert mache dies nicht einmal fünf Prozent aus. Im Durchschnitt gehen dabei gerade mal 24 Euro von Hand zu Hand, teilt die Banque de France mit. In Spanien führte die Regierung des konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy 2012 eine Obergrenze von 2.500 Euro ein, vor allem um Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit zu blockieren. Die  Erfahrungen sind dabei vergleichbar mit denen, die in Italien oder Frankreich gemacht wurden. Das Gesamtvolumen von Barzahlungen an den Finanztransaktionen sei ohnehin eher gering, heißt es in einer Analyse der größten spanischen Bank Santander. Obergrenzen für Barzahlungen gibt es darüber hinaus auch noch in Portugal und Belgien. Nennenswerte Veränderungen bei den Finanzströmen wurden auch von dort bisher nicht gemeldet. 

FDP-Lindner fordert: Bargeld im Grundgesetz verankern

Der Vorstoß der Bundesregierung löste innerhalb der deutschen Banker-Szene ein geteiltes Echo aus. „Klar ist, daß bargeldlose Zahlungen weiter an Bedeutung gewinnen werden, denken Sie zum Beispiel an das Bezahlen mit dem Handy“, sagte Bundesbankpräsident Jens Weidmann der Deutschen Presseagentur. „Aber Bargeld wird auch in Zukunft einige Vorteile haben. Es ist unabhängig von einer elektronischen Infrastruktur und deren Ausfallrisiken. Außerdem sind Bargeldzahlungen einfach und schnell.“ Deutschlands oberster Banker hegt darüber hinaus weitere Zweifel an der Umsetzbarkeit des Vorhabens. „Glauben Sie, daß kriminelle Handlungen deshalb unterbleiben, weil es den 500-Euro-Schein nicht mehr gibt?“ fragte er kürzlich in einem Interview mit der FAZ. Inwieweit ein Verbot von größeren Bargeld-Transaktionen illegale Aktivitäten unterbinde, sei ebenfalls eine offene Frage. Der Vorsitzende der Volks- und Raiffeisenbanken, Uwe Fröhlich, nannte eine mögliche Abschaffung einen unnötigen „Eingriff in die Freiheit“, dessen Sinn „bisher nicht nachweisbar“ sei. 

Der Vorstand der Deutschen Bank John Cryan ist dagegen der Auffassung, daß Bargeld in den nächsten zehn Jahren verschwinden werde. „Cash ist fürchterlich teuer und ineffizient“, sagte der Manager Mitte Januar beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Bargeld helfe nur noch Geldwäschern und anderen Kriminellen, ihre Geschäfte zu verschleiern. Der Linzer Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Schneider wurde in den vergangenen Tagen von zahlreichen deutschen Medien als „Schattenwirtschaftsexperte“ zitiert. Seine Einschätzung zu der geplanten Obergrenze ist eindeutig: „Das bringt fast gar nichts“, sagte  er zum Beispiel gegenüber dem Handelsblatt. Bei einem Limit von 5.000 Euro könnte die Schwarzarbeit um ein Prozent zurückgehen. Selbst bei einem totalen Bargeldverbot rechnet der renommierte Forscher nur mit einem Rückgang um zwei bis drei Prozent. Derzeit liege der Anteil der Schattenwirtschaft bei etwa elf Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Auch auf dem politischen Parkett kam es zu äußerst kontroversen Diskussionen. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner schimpfte, die Abschaffung des Bargelds verstoße gegen die Verfassung. „Wenn Union und SPD das nicht verstehen, dann sollte der Schutz des Bargeldes im Grundgesetz verankert werden“, sagte er zur Bild. Auch eine Begrenzung von Bargeldzahlungen lehnte er ab. Die Bargeld-Obergrenze sei „eine absolute Scheinlösung“,  kritisierte auch der Bundestagsabgeordnete Gerhard Schick von Bündnis 90/Die Grünen. Sie würde auch „nicht im geringsten“ helfen, „Terroristen die Mittel für ihren Lebensunterhalt oder für Waffengeschäfte abzugraben.“ Der gleichen Ansicht ist übrigens auch das Präsidiumsmitglied des Deutschen Richterbundes, Peter Schneiderhan. Es sei relativ einfach, Geldflüsse zu verschleiern und Geldwäsche zu betreiben: „Die Abschaffung von Bargeld würde daher Terrorismusfinanzierung oder Geldwäsche nicht verhindern, sondern nur auf elektronische Zahlungswege verlagern.“