© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/16 / 12. Februar 2016

Grüße vom Diesseits ins Jenseits
Mittenmang: Künstler verschiedener Musikgenres haben Lieder von Hildegard Knef neu interpretiert
Heidrun Wehl

Plötzlich ist sie wieder da. Ganz nah. Diese wunderbar rauchige Charakterstimme. Hildegard Knef hat es sich nicht nehmen lassen, ihr Publikum persönlich zu begrüßen. Mit einem flüchtigen, herzlichen Gruß aus dem Jenseits: „Hallo ihr Lieben / hier ist Hildegard Knef / Wie gern wäre ich jetzt bei euch / auf der Bühne oder mittenmang“.

Dann übernehmen namhafte Rock-, Pop-, Hip-Hop- und Rap-Künstler aus dem Diesseits das Mikrofon, darunter Selig, Clueso, Die Fantastischen Vier, Mieze und Samy Deluxe. Insgesamt sind es 19 Künstler, die anläßlich ihres 90. Geburtstages vergangenen Dezember das Album „Für Hilde“ aufgenommen und 19 ihrer Lieder neu interpretiert haben.

Die Grande Dame des Chansons, die sich auch gern anderen Musikgenres widmete, ist nicht zuletzt deshalb für die Künstler eine dankbare Vorlage. Ihre Treue zu sich selbst, ihre Originalität und ihr Witz gingen zeitlebens Hand in Hand mit der steten Suche nach neuen musikalischen Ausdrucksformen. Brecht-Lieder gehörten ebenso zu ihrem Repertoire wie Chansons und Jazz. Das vorliegende Album ist ohne Frage um ebendiese musikalische Bandbreite bemüht.

Originalität und Witz finden sich allerdings nur in einzelnen Titeln des Albums wieder. Das mag daran liegen, daß ein lediglich textgetreues und poppiges Reproduzieren der berühmten Hilde-Songs schnell langweilt – etwa, wenn ein Mark Forster („Bauch und Kopf“) den Titel „Halt mich fest“ interpretiert. 

Erst einem Dendemann („Endlich Nichtschwimmer“) glückt mit dem Song „Insel meiner Angst“ der Ausbruch aus der Reproduktionsfalle. Das Lied ist als Duett geschrieben – für und mit Hildegard Knef höchstpersönlich. Versatzstücke aus dem Original („Ich allein ...“) werden als Echo eingespielt und fungieren gleichzeitig als großer musikalischer Rahmen dieses Raps: „Sieh in mir alles, was du da findest / so viel Laster, daß du fast dran erblindest / egal was wahr war oder was du erschwindelst / ist doch klar, daß ein Raster auch mal paßt, wenn man drin ist.“ Das ist nicht Hildegard Knef, und es ist erst recht keine Kopie von Hildegard Knef. Es ist originell. Und hat Witz.

Neben den Neuinterpretationen wartet das Album auch mit drei Liedern mit bisher unveröffentlichten oder ungesungenen Texten Hildegard Knefs auf. Es besteht also aus mehr Knef als zunächst zu vermuten ist. Dank einiger musikalischer Überraschungen wie dem Rapper Dendemann zeigt sich auch, wie inspirierend Hilde heute noch auf viele Sänger wirkt. Eines aber war von Anfang an klar bei diesem Album: Am Ende wird’s rote Rosen regnen.

Für Hilde Four Music (Sony Music), 2015 www.sonymusic.de