© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/16 / 12. Februar 2016

„Nation ja, aber bitte nur im demokratischen Namen“
Eine Biographie erinnert an den christlich-konservativen Journalisten Fritz Gerlich, der im Zuge des „Röhm-Putsches“ von NS-Schergen ermordet wurde
Martin Bürger

Einer der ersten – und somit für Hitler vielleicht gefährlichsten – Gegner aus dem Kreis des widerständischen Katholizismus war der Journalist Fritz Gerlich. 2015 legte Stefan Meetschen eine kurze, gut lesbare Biographie des katholischen Märtyrers unter dem Titel „Ein gerader Weg“ vor, was eine Anspielung auf jene Zeitung ist, mit der Gerlich sich als Vorkämpfer gegen Hitler einen Namen machen sollte.

Geboren am 15. Februar 1883 in Stettin, zieht es Gerlich zum Studium nach München, wo er 1907 promoviert. Danach ist Gerlich als Archivar tätig und publiziert seine „Geschichte und Theorie des Kapitalismus“. Gleichzeitig engagiert er sich journalistisch und in diversen Parteien, darunter der Deutschen Demokratischen Partei (DDP).

1920 wird Fritz Gerlich zum Chefredakteur der Münchner Neuesten Nachrichten berufen, mit dem Auftrag, „aus der eher als linksliberal geltenden Zeitung ein deutschnationales Kampfblatt“ zu machen. „Hitler mochte er von Anfang an nicht“, urteilt Meetschen. Schon 1921 schreibt Gerlich beinahe prophetisch über die NSDAP: „Sie kann höchstens zerstören. Denn ihr positives Programm ist wirtschaftlich und kulturell von einer Torheit und Dürftigkeit, die ihresgleichen suchen.“

Nach dem „Hitler-Ludendorff-Putsch“ von 1923 hat der Chefredakteur genug, so Meetschen, „von überspannten nationalistischen Experimenten unehrenhafter Fanatiker. Nation ja, aber bitte nur im demokratischen Rahmen – das ist Fritz Gerlichs neues Politikkonzept.“

Eine Wende in seinem Leben wird 1927 eingeleitet, als Gerlich nach Konnersreuth in der Oberpfalz reist, um sich mit dem Fall Therese Neumann auseinanderzusetzen. Neumann war eine Mystikerin, die 1923 plötzlich von ihrer Blindheit geheilt wurde und 1926 die Wundmale Christi empfing – ähnlich dem heiligen Franziskus. Obwohl selbst Protestant, verteidigt Gerlich „die Stigmatisierte mit objektivem Ton gegen Kritiker“. Etwas später erscheint sein zweibändiges Werk, das sich noch intensiver mit Therese Neumann beschäftigt. Nun findet auch seine Zeit bei den Münchner Neuesten Nachrichten ein Ende.

Im Umfeld des Konnersreuther Kreises um Therese Neumann lernt Gerlich den Fürsten Erich von Waldburg-Zeil kennen, der ihm vorschlägt, Chefredakteur einer Zeitung zu werden, die er finanzieren wolle. Das Ansehen der entsprechenden Zeitung namens Illustrierter Sonntag ähnelte vor der Übernahme durch den Fürsten im Herbst 1930 „mehr dem eines unbedeutenden Klatsch- und Skandalblatts als dem eines seriösen Organs für die ambitionierten Gott- und Wahrheitssucher“. Doch bis Mitte 1931 hat sich das Image gewandelt. Gerlich, inzwischen zur katholischen Kirche konvertiert, liefert sich nun erbitterte Kämpfe mit Hitler, der immer mehr an Popularität gewinnt.

1932 wird aus dem Illustrierten Sonntag schließlich Der gerade Weg. Gerlich, von Kardinal Faulhaber als Verteidiger des Naturrechts geschätzt, erhält jetzt sogar Morddrohungen für seine offene Opposition zu Hitler. Nach den Wahlen vom 5. März 1933 geht alles ganz schnell: Am Abend des 9. März stürmt die SA die Redaktion und verhaftet den katholischen Journalisten. Mehr als ein Jahr bleibt Gerlich in Gefangenschaft, bevor er in der Nacht vom 30. Juni auf den 1. Juli 1934 in Dachau ermordet wird. Der spätere Münchner Weihbischof Johannes Neuhäusler urteilte damals: „Einen so geraden und ungebrochenen Mann, wie es dieser Widerstandskämpfer von der ersten bis zur letzten Stunde war, habe ich während der ganzen folgenden zwölf Jahre nicht mehr getroffen.“ 

Stefan Meetschen: Ein gerader Weg. Der katholische Journalist, Widerstandskämpfer und Märtyrer Fritz Gerlich. Fe-Medienverlag, Kisslegg 2015, gebunden, 176 Seiten, 12,80 Euro