© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/16 / 19. Februar 2016

Ein Journalist auf Abwegen
Exklusiv: „Welt“-Redakteur Lachmann stolpert über belastende E-Mails an die AfD
Marcus Schmidt

Am Ende war es vielleicht dieser eine Satz, der dem Welt-Journalisten Günther Lachmann beruflich das Genick  gebrochen hat. „Hallo Frau Gabracht, wollen wir da nicht mal gegenhalten“, fragte der AfD-Berichterstatter des Springer-Blattes am 20. März 2015 in einer Mail an die Pressesprecherin des nordrhein-westfälischen Landes-chefs, Marcus Pretzell. In der Mail, die der Journalist von seinem Welt-Account abgeschickt hatte, war ein kritischer Artikel auf Spiegel Online verlinkt. In dem Beitrag ging es um die Rolle Pretzells bei der Pfändung des Kontos der nordrhein-westfälischen AfD. Am vergangenen Sonnabend trug dieser Satz, der nahelegt, daß Lachmanns Interesse an der AfD weit über seine journalistische Tätigkeit für die Welt hinausging, dazu bei, dessen Karriere als Redakteur zu beenden. Lachmann habe grob gegen „fundamentale journalistische Grundsätze“ verstoßen, urteilte Welt-Chefredaktur Stefan Aust. 

Wie war es dazu gekommen? Lachmann hatte von Anbeginn für die Welt über die AfD berichtet. Wer wollte, konnte aus seinen Texten ohne große Mühe Sympathie für die Ziele der Partei herauslesen. Immer aber war Lachmann über das Innenleben der AfD bestens informiert, nicht selten berichtete er als erster über neue Entwicklungen. Bis zum 26. Januar. An diesem Tag erhob Pretzell auf Facebook schwere Vorwürfe. Lachmann habe der AfD angeboten, die Partei politisch zu beraten – neben seiner Anstellung bei der Welt. Gezahlt werden sollte das Geld für die Beratertätigkeit, 4.000 Euro monatlich, zur Verschleierung an Dritte. Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry habe das Angebot abgelehnt. „Seitdem kommt keiner von Herrn Lachmanns Beiträgen ohne herabwürdigende Bemerkungen zu Frauke Petry aus“, warf Pretzell dem Journalisten vor. 

Zwei Tage zuvor war in der Welt am Sonntag ein langer Artikel über den Zustand der AfD erschienen. Der kritische Beitrag, den Lachmann gemeinsam mit dem Rechtsextremismusexperten Olaf Sundermeyer geschrieben hatte, geriet zum Abgesang auf Petry. Der „orientierungslosen“ Parteichefin drohe angesichts des wachsenden Einflusses „der offensiv national auftretenden Gauland-Höcke-AfD“ dasselbe Schicksal wie Bernd Lucke. Während Petry als instinktlose Karrierepolitikerin dargestellt wird, kommen Parteivize Alexander Gauland und der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke in dem Stück gut weg. Über Gauland heißt es etwa, dieser sei „nicht an Posten oder Karriere interessiert“. Pretzell, der Lebensgefährte Petrys, wird dagegen als „wenig seriös“ bezeichnet. Für Marcus Pretzell war dieser Artikel der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte. 

Stefan Aust verkündet Rauswurf per Twitter

Nachdem die junge freiheit am 26. Januar online über die Vorwürfe gegen Lachmann berichtet hatte, meldete sich umgehend der Springer-Verlag zu Wort. „Wir weisen die Vorwürfe zurück, prüfen rechtliche Schritte. Die Redaktion der Welt begleitet die AfD mit der gleichen journalistischen Sorgfalt wie andere Parteien auch“, sagte ein Sprecher von Welt/N24. Auffällig war zu diesem Zeitpunkt bereits, daß der Name Lachmann nicht auftauchte. Für Außenstehende war klar, daß Welt-Chefredakteur Aust alles unternehmen würde, um die Vorwürfe vom Tisch zu bekommen. Denn längst ging es nicht mehr nur um Lachmann, sondern um die journalistische Glaubwürdigkeit der Welt. 

Am Mittwoch vergangener Woche war es schließlich soweit. Über seinen Anwalt forderte Lachmann, mit Unterstützung des Springer-Verlages, Pretzell auf, die Anschuldigungen nicht weiter zu verbreiten. Innerhalb von zwei Tagen sollte er eine entsprechende Abmahnung unterzeichnen. Doch stattdessen forderte Pretzells Anwalt, der Kölner Medienrechtler Ralf Höcker, Lachmann am Freitag auf, die Vorwürfe zu bestätigen. Unterlegt wurde die Aufforderung mit einer Reihe von Mails, die Lachmann an Pretzell und dessen Sprecherin Kerstin Gabracht geschrieben hatte. Diesen Mails, die der jungen freiheit exklusiv vorliegen, erhärteten die Vorwürfe gegen Lachmann. So schrieb der Journalist am 14. Juli 2015, also unmittelbar nach der Abwahl Bernd Luckes als Parteichef, an Gabracht: „Wir sprachen gestern darüber, wie die AfD ihr national-konservatives Stigma los wird. Dazu kam mir eine Idee, die ich schnell mal aufgeschrieben habe.“ In einem dazugehörigen stichpunktartigen Konzept empfiehlt der Autor dann, die AfD zu einer „Partei der verantwortungsbewußten Demokratie“ zu entwickeln.

Vier Tage später legte Lachmann mit einem „Konzept für ein Manifest der Verantwortungsdemokratie“ nach. „Die Partei braucht dringend einen ideologisch-weltanschaulichen Überbau“, schrieb er an Gabracht. „Ich habe mal ein Manifest der Verantwortungsdemokratie skizziert, aus dem sich die AfD und folglich auch ihr Programm ableiten kann.“ Und weiter: „Es ist die Versicherung gegen alle Versuche, die Partei rechts zu verorten.“ Angefügt ist ein fünf Punkte umfassendes zweiseitiges Konzept. Die vorliegenden Mails enthalten indes keinen Beleg für das von Lachmann angeblich geforderte Beraterhonorar. Das könnten aber zwei Zeugen belegen, versicherte Pretzell der JF. Wenige Stunden nachdem die junge freiheit am Sonnabend online exklusiv über den Inhalt der E-Mails berichtet hatte, twitterte Aust um 17.14 Uhr: „Die Welt trennt sich von Günther Lachmann“. Dieser hatte zuvor die Echtheit der Mails eingeräumt. 

Am Montag begründete Aust seinen Schritt. „Ein Journalist, der sich als PR-Berater einer Partei andient, hat seine Unabhängigkeit verloren, seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt – und damit seinen Job“, schrieb Aust. Und auch Pretzell rechtfertigte noch einmal sein Vorgehen, das in der Partei auch auf Kritik gestoßen war: „Die AfD ist angetreten, Deutschland zu verändern. Das bedeutet auch, daß wir uns an schmutzigen Deals nicht beteiligen“, sagte Pretzell der JF. Das sei die AfD ihren Wählern schuldig.