© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/16 / 19. Februar 2016

Szenen einer Annäherung
Europa-Kongreß: AfD und FPÖ gehen aufeinander zu
Peter Sund

Er war der gefeierte Star im Düsseldorfer Congress Centrum: Heinz-Christian Strache, charismatischer Chef der FPÖ. Binnen zehn Jahren machte er die FPÖ zur stärksten Partei Österreichs und weckte damit bei den anwesenden AfD-Anhängern eigene hoffnungsvolle Zukunftsphantasien. Strache gab den anwesenden rund 900 Teilnehmern des Kongresses „Europäische Visionen“ am vergangenen Sonnabend, was sie hören wollten: Streicheleinheiten für AfD-Chefin Frauke Petry, die ein „Herz wie eine Löwin“ habe und die er sich als nächste Bundeskanzlerin wünsche; herbe Kritik an Kanzlerin Angela Merkel, deren Asylpolitik „naiv und gemeingefährlich“ sei. Tosende „Merkel muß weg“-Rufe auf den Rängen waren die Antwort.

Strache bezeichnete das Treffen in Düsseldorf als einen „historischen Akt“, wenngleich – so betonten er als auch Petry – man sich zunächst „beschnuppern“ und Gemeinsamkeiten ausloten wolle. Die mehrfach genannte gemeinsame Formel war das von Charles de Gaulle formulierte „Europa der Vaterländer“, einem Europa souveräner Staaten statt eines EU-Zentralstaates.  

Der gemeinsame Auftritt entbehrte nicht einer gewissen Brisanz. Die FPÖ ist im Europaparlament Teil der neu gebildeten Fraktion „Eu-ropa der Nationen und der Freiheit“ (MENL), der auch der Front National von Marine Le Pen, die niederländische Partei für die Freiheit (PVV) des Rechtspopulisten Geert Wilders, die Lega Nord aus Italien und Vlaams Belang aus Belgien angehören. Die AfD wiederum gehört der Fraktion der „Europäischen Konservativen und Reformer“ (EKR) an, die die drittstärkste Kraft im EU-Parlament ist und zu der unter anderem die britischen Konservativen David Camerons oder die polnische „Recht und Gerechtigkeit“ zählen. 

Verwicklungen im Vorfeld

Tatsächlich führten die austro-alternativen Lockerungsübungen in Düsseldorf schon im Vorfeld zu Verwicklungen. Eigentlich als Veranstaltung der EKR anberaumt, wurde dieser Absender wieder einkassiert. Auch der ursprünglich vorgesehene Mit-Redner Richard Sulík, Vorsitzender der slowakischen Partei Sloboda a Solidarita, sagte seine Teilnahme kurzfristig ab. Für ihn sprach Harald Vilimsky, europäischer Delegationschef der FPÖ. 

Er bezeichnete es als sein Ziel, die drei EU-kritischen Fraktionen im Europarlament – zu denen neben EKR und MENL auch die EFD mit Nigel Farage zähle – näher aneinander zu binden. So weit wollte Petry nicht gehen, die in Ihrer Rede weniger von historischer Dimension als von der Normalität sprach, daß man in der Demokratie „mit allen euroskeptischen Parteien sprechen können müsse“. Gespräche hießen nicht gleich Koalition, so Petry.

Der Chef des gastgebenden nord-rhein-westfälischen AfD-Landesverbandes, Marcus Pretzell, hatte zuvor die Europäische Union als unreformierbar bezeichnet. Die europäischen Verträge müßten neu verhandelt, nationale Währungen wieder eingeführt werden. Sinnvolle Kooperationen könne es nach seiner Ansicht in drei europäischen Räumen geben: einem Südeuropa (inklusive Frankreichs), einem Osteuropa und der mittel- und nordeuropäischen Achse.

Protest mit Karnevalswagen

Strache skizzierte in seiner Rede die Europapositionen der FPÖ.  Man sei EU-kritisch, aber europafreundlich – eine Losung, die später auch Petry aufgriff. Die FPÖ fordere, so Strache, „Volksabstimmungen statt eine Diktatur der Parteisekretariate“, „Vielfalt statt Zentralisierung“, „kulturelle Identität statt Masseneinwanderung“ – und eine Rückkehr zu eigenen Währungen. Tosenden Applaus erhielt er für die Forderung, Rußland mehr einzubinden. Und für die Position, die EU-Staaten sollten aus der Nato aus-, und in eigene Sicherheitsstrukturen eintreten, statt sich in „Stellvertreterkriege“ und „Militärbündnisse nach Maßgabe amerikanischer Generäle“ zu verstricken.

Frauke Petry zeigte sich in ihrer Rede deutlich moderater. Fast mochte man den Eindruck haben, die sowohl von Vilimsky als auch Strache geäußerte Titulierung als Wunsch-Kanzlerin habe Wirkung gezeigt. Sie sei keine „Utopisten“, sondern „Realisten und Visionäre“. Die AfD vertrete in Europa das Prinzip von Verantwortung und Freiheit, so Petry. Es sei für einen „Neuanfang“ in Europa nie zu spät, selbst wenn klar sei, daß die Fehlentwicklungen noch Jahrzehnte ihre Wirkungen zeigen würden.   

Europa sei durchaus nicht in eine „postnationale Phase“ eingetreten, sondern bestimme sich aus konstituierenden Faktoren der jeweiligen Gesellschaften, wie Sprache, Kultur, Wirtschaft und politischer Struktur. In Deutschland habe man indes schon Probleme, alleine über diese Identität zu sprechen. Einig war sich Petry daher in der Forderung Straches, daß die Parlamente in wichtigen Fragen durch Referenden vom Souverän kontrolliert werden müßten. Viele europäische Institutionen seien überflüssig und gehörten zurück in die nationale Verantwortung.

Petrys folgender Aufruf zu mehr Toleranz wurde vor den Toren des Congress Centrums nicht mehr vernommen. Die mehreren hundert Demonstranten eines Bündnisses „Düsseldorf stellt sich quer“ waren unter anderem mit Karnevalswagen des abgesagten Rosenmontagszuges angerückt. Darauf zu sehen war die Metamorphose eines blauen AfD-Männchens, das braun wurde. Doch Regen machte einen Strich durch die Rechnung und sorgte für ein schnelles Ende.