© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/16 / 19. Februar 2016

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Hin und her
Marcus Schmidt

Union und SPD haben es geschafft. Bestand bis zum Asylpaket II noch eine kleine Hoffnung, die Große Koalition könnte das von ihr heraufbeschworene Asylchaos – wenn sie es schon nicht wieder in den Griff bekommt – zumindest ein wenig abschwächen, haben die Beteiligten mit ihrem konfusen Streit um die Befreiung von Flüchtlingen vom Mindestlohn-Zwang und die geplanten Einschränkungen beim Familiennachzug alle Aussichten auf eine Besserung zerstört. 

Besonders verwirrend ging es dabei über das Wochenende beim Mindestlohn zu. Der Vorstoß der Union in einem Positionspapier zur Integrationspolitik, Flüchtlinge wie Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten nach ihrer Anerkennung vom Mindestlohn auszunehmen, hatte beim Koalitionspartner für heftigen Widerstand gesorgt. Damit würden Flüchtlinge „gegen andere Arbeitnehmer ausgespielt und zu Lohndrückern gemacht“, kritisierte SPD-Generalsekretärin Katarina Barley. Noch deutlicher wurde am Montag  nach einer SPD-Präsidiumssitzung in Mainz Parteichef Sigmar Gabriel. „Für mich ist es völlig klar, daß die SPD am Mindestlohn-Gesetz nichts ändern wird“, bekräftigte Gabriel und nannte den Vorschlag ein „Aufbauprogramm für die AfD“.

Doch dazu kam es nicht. Noch am Montag entschärfte die  CDU-Führung die Passage zum Mindestlohn im Integrationspapier. „Für Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge sollen die Praktikumszeiten, bei denen vom Mindestlohn abgewichen werden kann, auf mindestens sechs Monate verlängert werden“, heißt es dort nun. Die politischen Beobachter in Berlin rätselten nach dieser Entscheidung, ob die CDU tatsächlich klein beigegeben hatte oder die SPD auf einen Etikettenschwindel hereingefallen war.

Ähnlich unbestimmt war in der vergangenen Woche der Streit um die von der Großen Koalition im Asylpaket II verankerten Einschränkungen des Familiennachzugs bei minderjährigen Flüchtlingen ausgegangen. Nachdem das von Manuela Schwesig (SPD) geführte Familienministerium Fehler bei der Ressortabstimmung des Asylpakets II eingeräumt und damit die Verantwortung für den Unmut über die Regelung innerhalb der SPD übernommen hatte, einigten sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizminister Heiko Maas (SPD) auf eine Klarstellung. Ergebnis: Alles bleibt wie es beschlossen worden war – es gibt aber die Möglichkeit, in Härtefällen auch bei minderjährigen Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutz einen Nachzug der Eltern zu ermöglichen.

Gemessen an der Aufregung, die in der SPD angesichts der drohenden Einschränkung des Familiennachzuges in diesen Fällen zeitweilig herrschte, mutete dieses Ergebnis aus Sicht der Sozialdemokraten äußerst bescheiden an. Aber vielleicht sollte die lauthals vorgetragene Kritik auch einfach davon ablenken, daß die Einschränkungen beim Familiennachzug für minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge sowieso nur eine äußerst geringe Zahl betreffen.