© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/16 / 26. Februar 2016

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Allgemeine Verunsicherung
Marcus Schmidt

Der junge australische Diplomat war immer noch sichtlich irritiert. Wie könne die Polizei Großereignisse wie die sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht in Köln bewältigen, wenn sie nicht einmal verhindern könne, daß ihm am Görlitzer Bahnhof in Berlin innerhalb kürzester Zeit „sechs- oder siebenmal“ Drogen angeboten werden? Eine Antwort wollte oder konnte in der vergangenen Woche niemand der Teilnehmer des Fachgesprächs der CDU/CSU-Fraktion zur Inneren Sicherheit geben. Doch dieser unbefangene Blick von außen auf die deutschen Zustände traf den Kern der Veranstaltung, die sich unter der Leitfrage „Wehrhafter Rechtsstaat?“ in einem Turmzimmer des Reichstags mit den rechtlichen und politischen Folgen der sexuellen Übergriffe in Köln befaßte. 

Sehr schnell fokussierte sich die Debatte dabei auf die Machenschaften krimineller Familienclans in Deutschland. Das lag nicht zuletzt an dem als Experten geladenen Berliner Islamwissenschaftler Ralph Ghadban, der ein düsteres Bild der Clanstrukturen zeichnete. Die häufig aus dem Libanon stammenden Familienverbände betrachteten den öffentlichen Raum als Feindesland, um dessen Kontrolle sie mit der staatlichen Gewalt konkurrierten. „Moralische Hindernisse und Skrupel sind nicht vorhanden“, sagte Ghadban, der im Libanon geboren wurde und warnte: „Die Clans haben längst gemerkt, daß ihnen ihre Strukturen in der pazifistischen deutschen Gesellschaft Vorteile bringen.“ Sie seien nicht integrierbar.

Daran, daß die aktuelle Wanderungsbewegung nach Deutschland die Situation weiter verschärfen wird, ließen die Experten keinen Zweifel. „Wir werden definitiv neue Clans bekommen“, sagte die Frankfurter Ethnologin und Gender-Forscherin Susanne Schröter. Es müsse durch soziale Steuerung versucht werden, zu verhindern, daß sich hierzulande Banlieues wie in Frankreich bilden  wenn die Einwanderer alle in die Ballungsgebiete zögen.

Von der „Wir schaffen das“-Rhetorik, mit der die Fraktionsführung  zumindest nach außen hin die wachsende Verunsicherung unter den Unionsabgeordneten zu überspielen versucht, war an diesem Nachmittag nichts zu hören. Vielleicht aus diesem Grund, und nicht wegen eines Anschlußtermins, verließ Fraktionsvize Thomas Strobl das Turmzimmer vorzeitig. Er verpaßte so den Auftritt einer langjährigen Fraktionsmitarbeiterin, der zeigte, wie weit die Verunsicherung bereits um sich gegriffen hat. „Ich glaube nicht, daß wir wirklich wissen, was auf unser Land zurollen wird“, warnte die Frau und berichtete von ihren Erfahrungen als Schöffin am Berliner Landgericht. 90 Prozent der Angeklagten seien nichtdeutscher Herkunft, das Strafmaß meist überschaubar. 

Als Ammenmärchen bezeichnete sie vor diesem Hintergrund die Vorstellung, die „jungen Männer“, die kämen, wollten hier ein besseres Leben führen. Sie verfolgten ein ganz anderes Ziel: „Wenn wir in einem Jahr eine Million mehr von denen haben, dann können wir schauen, ob wir nicht vielleicht mit Kopftüchern hier herumlaufen“, sagte sie – und erntete keinen Widerspruch.