© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/16 / 26. Februar 2016

Mit der Partei über Kreuz
USA: Im Rennen um die Präsidentschaft lassen die Kandidaten das Polit-Establishment im Abseits stehen
Manfred Friedrich

Bereits kurz vor dem sogenannten Super-Dienstag mit seinen Vorwahlen in zwölf Bundesstaaten am 1. März und fünf Monate bevor die Republikaner auf ihrer Delegiertenversammlung in Cleveland ihren Präsidentschaftskandidaten küren, läßt sich eine Aussage mit Sicherheit treffen: Es ist nicht das Jahr der Establishment-Kandidaten. Längst ist absehbar: Das Rennen ums Präsidentschaftsticket entscheidet sich zwischen dem Immobilienmogul Donald Trump, dem texanischen Senator Ted Cruz und Marco Rubio. 

Aufgrund seines jugendlich unverbrauchten Auftretens wird der charismatische Jungsenator aus Florida gern  mit Barack Obama verglichen – ein Vergleich, der einem republikanischen Kandidaten nicht unbedingt schmeichelt. Der vom Parteiapparat unterstützte Jeb Bush, der mehr Dollar pro Wählerstimme in den ersten beiden Vorwahlstaaten ausgab als jeder andere Kandidat, stand nach seinem schwachen Abschneiden in South Carolina ohne Geld da und schied aus dem Rennen aus. 

Republikanische Partei verschlief heiße Themen  

Daß Ohios Gouverneur Kasich, den außerhalb der USA kaum jemand kennt, überhaupt noch dabei ist, ist seinem Achtungserfolg in New Hampshire (9. Februar) zu verdanken, wo er hinter Trump auf Platz zwei ins Ziel kam. In South Carolina erreichte er am 27. Februar nur acht Prozent der Wählerstimmen. Seine Strategie könnte lauten: bis zu den Vorwahlen in Ohio am 15. März durchhalten, dort ein gutes Ergebnis erzielen und dann vielleicht als Vizepräsident ins Weiße Haus einziehen. 

Nicht nur die politische Ausrichtung der Kandidaten hat sich im Vergleich zu früheren Primaries geändert. Auch der Stil hat vor allem unter Trumps Kandidatur gelitten. Er beschimpfte Cruz als „Pussy“, weil der den Einsatz von Waterboarding nicht nachdrücklich genug befürwortet hatte. Nachdem ihn Cruz in einem Wahlwerbespot für seine positive Haltung zur Abtreibung in der Vergangenheit angriff, drohte Trump beleidigt, klären zu lassen, ob der in Kanada geborene Cruz überhaupt die Voraussetzungen erfülle, sich für das höchste Amt zu bewerben. Trump bleibt auch schon mal gern TV-Debatten fern, wenn sie von einer ihm nicht genehmen Journalistin moderiert werden. Dennoch verfängt seine Botschaft bei den Wählern. So in South Carolina, wo er mit einem zweistelligen Vorsprung Rubio und Cruz auf die Plätze verwies.

Jetzt rächt sich, daß die Republikanische Partei über Jahre Themen wie Grenzsicherung oder die Job-Abwanderung ins Ausland verschlief: Themen, mit denen Trump quer durch alle Wählersegmente punkten kann. „Es ist an der Zeit für den Anti-Trump-Flügel der Republikaner, in Panik zu verfallen“, konstatierte Fox- News-Analyst Charles Krauthammer.

Rubio ist nun mit seiner liberalen Haltung zur Einwanderung und seinem Bekenntnis zur NSA-Überwachung innerhalb weniger Wochen unverhofft zum neuen Favoriten des Partei-Establishments aufgestiegen. Aber auch zu Trump unterhält die Parteiführung gute Kontakte. „Mit Trump glauben sie, zumindest verhandeln zu können“, meint der konservative Radiomoderator Rush Limbaugh. Anders bei Cruz:  Wo andere von „Deals“ reden, spricht er von der Verfassung. Seine Halsstarrigkeit und Prinzipientreue schmeckt den wenigsten im politischen Washington. 

Bei den Demokraten hat der Parteiapparat zumindest noch ein As im Ärmel. Nach dem Unentschieden in Iowa, ihrer krachenden Niederlage gegen Bernie Sanders in New Hamsphire und ihrem knapper als erwartet ausgefallenen Sieg in Nevada am 20. Februar liegen die Vorteile weiter bei Hillary Clinton. 81 Prozent der Demokraten glauben, daß die Ex-Außenministerin – E-Mail-Skandal hin oder her – sie in die Wahlen führen wird. 

Clinton verfügt über genügend Geld und den notwendigen logistischen Unterbau, um ihre Kampagne bis zur Delegiertenversammlung Ende Juli in Philadelphia durchzuziehen. Bei den Demokraten werden – anders als bei den Republikanern – die meisten Delegierten nach dem Proporzprinzip vergeben. 

Steherqualität zählt, nicht der kurzzeitige Sieg  

Steherqualitäten sind in größerem Maß gefordert als spektakuläre Siege. Dazu kommt aber noch eine weitere Besonderheit: Obwohl Sanders in New Hamsphire Clinton mit 60 zu 38 Prozent schlug, führt sie nach Delegiertenstimmen bisher mit 502 zu 70. Grund dafür sind vor allem die Superdelegierten: Parteioffizielle und Abgeordnete der Demokraten. Sie favorisieren derzeit mit großer Mehrheit Clinton. 

Sanders einzige Hoffnung: Auch 2008 unterstützte eine große Mehrheit der Superdelegierten Clinton. Viele schlugen sich aber nach Obamas Primary-Erfolgen auf die Seite des jetzigen Präsidenten.Doch der 74jährige Sanders ist kein Obama. Er nennt sich selbst einen Sozialisten – was bisher in dem Land als Schimpfwort galt. Das scheint seine zumeist jungen Unterstützer nicht abzuschrecken. Dem siebenfachen Großvater aus Vermont fliegen aufgrund seiner Unabhängigkeit vom Partei-Establishment und der verhaßten Wall Street die Herzen zu. Selbst Libertäre wie Ron Paul können sich für Teile seiner Agenda erwärmen. 

Der jüdische Senator unterstützt das republikanische Anliegen einer schärferen Überwachung der US-Notenbank durch den Kongreß und liegt – auch was die Forderung nach restriktiven Waffengesetzen angeht – immer wieder mit seiner Partei über Kreuz.





Präsidentschaftskandidaten

Republikaner

Ben Carson, der 64jährige Neurochirurg ist Mitglied der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten. Er hat drei Kinder.

Ted Cruz, der in Kanada geborene 45jährige Vater von zwei Kindern wirkt seit 2013 als Senator für den Bundesstaat Texas. 

John Kasich, der 63jährige Gouverneur von Ohio arbeitete mehrere Jahre bei Lehman Brothers und hat zwei Kinder. 

Marco Rubio, Marco Antonio Rubio (44) ist seit Januar 2011 Senator für Florida. Der Vater von vier Kindern ist katholisch. 

Donald Trump, Der Immobilienmogul (69) hat fünf Kinder und ist als einziger Kandidat  unabhängig von Großspendern.





Demokraten

Hillary Clinton, die ehemalige First Lady (68) und spätere US-Außenministerin (2008 bis 2013) ist Mutter einer Tochter. 

Bernie Sanders, der 74jährige Senator von Vermont (ein Kind) wäre bei seiner Vereidigung der älteste Präsident der USA.