© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/16 / 04. März 2016

Grüße aus Bozen
Egal ob rechts oder links
Lukas Steinwandter

Lang ist’s her, daß Autofahrer am Brenner angehalten und ihre Papiere kontrolliert wurden. Deshalb herrscht in den Cafés der mittelalterlichen Bozner Lauben derzeit nur ein Gesprächsthema: der in Bälde hochgezogene Grenzzaun am Paßübergang. 

Er ist Teil der neuen Asylpolitik Österreichs. Dessen Grenzanlage in Spielfeld ist zum Paradebeispiel erfolgreichen „Grenzmanagements“ geworden, das nun an der gesamten Südostflanke der Alpenrepublik eingesetzt werden und zwölf Übergänge sichern soll. Dazu gehören auch jene drei zum für viele Südtiroler immer noch geltenden „Vaterland Österreich“: Reschenpaß im Westen, Brennerpaß im Norden und der Grenzübergang zu Osttirol im Pustertaler Winnebach. 

Eine gesonderte Rolle nimmt dabei die Grenze am Brenner ein. Der Paß im Norden Südtirols ist der wichtigste Alpenübergang, der Italien mit der nördlichen Hemisphäre Europas verbindet und damit unerläßlich für den Warenverkehr ist. 

Plötzlich sind sich alle einig – keine Grenzzäune an Brenner, Reschen und Winnebach.

In der Vergangenheit stand der Brennerpaß wie kein zweiter für die „Unrechtsgrenze“, die das „heil’ge Land Tirol“ auseinanderriß. Jene Bürger und Politiker, die sich als geistige Erben der Südtiroler Freiheitskämpfer der 1960er Jahre verstehen, sehen ihr Ziel der Einigkeit Tirols durch das österreichische Grenzmanagement in weite Ferne gerückt. 

Der politisch desinteressierte Südtiroler sorgt sich indes um die möglichen Wartezeiten auf dem Weg in die Innsbrucker Einkaufszentren, wenn die Grenzkontrollen spätestens im April starten. Außerdem könnte auch der lockere Umgang vieler grenznaher Bewohner mit dem Mitführen ihrer Identitätskarte teure Folgen haben, denn die müssen nun wieder vorgezeigt werden.

Obwohl sich in der Asylfrage Südtiroler links und rechts der politischen Mitte stets uneins sind, werden nach dem Bekanntwerden der Pläne der österreichischen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, auch die Grenzen zu Südtirol zu sichern, neue politische Konstellationen sichtbar. So sind sich Barbesucher jeder politischer Couleur, die sich sonst gerne einmal in die Haare kriegen, einig darin, daß Grenzzäune an Brenner, Reschen und Winnebach gar nicht gehen. Das Thema Asylkrise wird so schnell nicht aus den Gesprächen der belebten Laubengasse in Bozen verschwinden. Erst recht nicht, wenn sich die Zuwandererströme wie erwartet nach Italien und damit durch Südtirol hindurch verschieben werden.