© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/16 / 04. März 2016

Die ehrlichen Finder gehen meistens leer aus
Hobby-Schatzjäger in Deutschland suchen nach Gold, Silber und Edelsteinen
Wolfgang Kaufmann

Anfang dieses Jahres ging durch die Medien, daß der Lebuser Hobby-Archäologe Frank Slawinski an den Oderhängen unweit seiner Heimatstadt einen mittelalterlichen Silberschatz gefunden habe: insgesamt rund 2.200 Münzen aus der Zeit zwischen 960 und 1060. Dabei war Slawinski nicht als sogenannter „Raubgräber“ unterwegs gewesen, sondern mit Wissen und Billigung des Brandenburger Landesamtes für Denkmalpflege. Allerdings agieren viele andere seiner „Kollegen“ ohne eine solche behördliche Genehmigung, wenn sie mit ihren Metalldetektoren, die man schon für unter 100 Euro gebraucht im Internet erwerben kann, Wertvolles im Boden zu lokalisieren versuchen.

Manche der Sondengänger, deren Zahl hierzulande zwischen 10.000 und 30.000 betragen soll, backen dabei nur recht kleine Brötchen, indem sie beispielsweise Überbleibsel von den Schlachtfeldern des Zweiten Weltkrieges oder der Kämpfe gegen Napoleon aufklauben, um diese anschließend für wenig Geld auf dem Flohmarkt zu verhökern. Doch es gibt auch jene, welche auf den ganz großen Wurf aus sind. Denn verschollen ist ja nicht nur das legendäre Bernsteinzimmer, das es in regelmäßigen Abständen in die Schlagzeilen schafft. So harrt immerhin auch noch der sagenhafte Schatz der Nibelungen seiner Entdeckung: Wer an den Wahrheitsgehalt der Überlieferung aus dem 13. Jahrhundert glaubt, hat dabei die Qual der Wahl, an vielerlei verschiedenen Stellen zu suchen, darunter im Umfeld der verlassenen Ortschaft Lochheim, in Rheinbach bei Bonn sowie den Ruinen der Festung Stein bei Nordheim.

Weniger im öffentlichen Bewußtsein präsent sind hingegen die mit Sicherheit realen und prall gefüllten Kriegskassen und Schatztruhen, die während des Dreißigjährigen Krieges und späterer bewaffneter Konflikte verlorengingen und bis heute nicht gefunden werden konnten. Das betrifft beispielsweise die Kisten mit dem 340 Kilogramm schweren Tafelsilber des bayerischen Kurfürsten Maximilian I., welche am 28. Mai 1648 bei einem Schiffsuntergang in Mühldorf auf den Grund des Inn sanken, oder die Geldfässer aus der Zeit des Ersten Koalitionskrieges, die 1793 anläßlich der Plünderung einer französischen Nachschubkolonne im Dorfweiher von Freudenberg (Kreis Siegen) landeten.

Der Bodenfund gehört automatisch dem Staat

Gleichfalls ranken sich um zahlreiche deutsche Burgen Legenden, in denen von vergrabenen beziehungsweise eingemauerten Pretiosen die Rede ist. Als besonders schatzträchtig gelten hier Donaustauf bei Regensburg, die Schauenburg im Loisachtal sowie Burg Stollberg nahe Oberschwarzach.

Und dann wären da noch die Räuberbanden, quasi frühe Vertreter des organisierten Verbrechens, welche vielfach erhebliche Werte zusammenrafften und in Verstecke verschleppten, in denen diese zum Teil noch heute liegen, sofern die Wegelagerer auf dem Schafott endeten, ohne vorher gestanden zu haben, wo sie ihre Beute lagerten. So nicht zuletzt geschehen im Falle der berüchtigten Riedl-Bande, die um 1830 südlich von München ihr Unwesen trieb.

Alles in allem sollen in Deutschland noch etwa 32.000 Zentner Gold, Silber und Edelsteine unter der Erde liegen. Wer etwas davon aufspürt, dürfte indes meist keine große Freude daran haben, denn das liberale Prinzip der „Hadrianischen Teilung“ gemäß Paragraph 984 des Bürgerlichen Gesetzbuches, wonach Entdecker und Grundstückseigentümer gehobene Schätze jeweils zur Hälfte behalten können, gilt nur noch in Bayern. Ansonsten gehört jeder Bodenfund automatisch dem Staat, der sich dabei auf das sogenannte „Schatzregal“ beruft, welches ein juristisches Fossil aus dem 13. Jahrhundert ist und von Fachleuten wie Ralf Fischer zu Cramburg als verfassungswidrig eingestuft wird, obwohl Karlsruhe 1988 anders entschieden hat.

Manchmal erhalten die ehrlichen Finder, die ihre Entdeckung brav abliefern, aber wenigstens eine einigermaßen angemessene prozentuale Belohnung, sofern sie nicht auch hierbei betrogen werden, indem willfährige Gutachter den Wert des Schatzes sittenwidrig niedrig ansetzen – so erging es beispielsweise dem Lübecker Baggerfahrer Jürgen Köpsell, der 1984 mehr als 20.000 Gold- und Silbermünzen zutage förderte und anschließend sein blaues Wunder mit den engherzigen Behörden von Schleswig-Holstein erlebte. Und Berlin hat gar ein Gesetz erlassen, in dem klipp und klar steht, daß die Stadt keinen einzigen Cent zahle.

Deshalb werden die Funde oftmals überhaupt nicht gemeldet oder heimlich nach Bayern verbracht, was die staatlich besoldeten Ausgräber genauso verärgert wie das unfachmännische Herausholen der Objekte aus dem Boden: Schließlich komme es hierdurch zu einer Zerstörung des archäologischen Kontextes vor Ort. Das wiederum trifft in der Tat ziemlich oft zu und schadet der Wissenschaft ungemein. Unter anderem fehlen daher sämtliche Informationen über die Umstände der Auffindung des Berliner Goldhutes, weshalb die Funktion dieses überaus faszinierenden und seltenen Reliktes aus der Bronzezeit bis heute unklar blieb.

Andererseits ist dies nur die eine Seite der Medaille. Neun von zehn historisch bedeutsamen Gegenständen werden nämlich auf Äckern oder sonstigen landwirtschaftlich genutzten Flächen gefunden, und dort sind die von den Bauern eingesetzten Geräte und Chemikalien eine wesentlich größere Gefahr als der Spaten des Hobby-Schatzsuchers: Pflüge verstreuen die empfindlichen Überbleibsel aus der Vergangenheit oftmals über weite Flächen, wodurch sich ebenfalls kein Fundzusammenhang mehr rekonstruieren läßt. Dazu kommen Düngemittel, Gülle und ähnliche Substanzen, die vor allem metallene Artefakte angreifen.

Spektakuläre Neufunde gehen auf Amateure zurück

Außerdem agieren die „Raubgräber“ sehr viel kreativer und suchen an Stellen, an denen die Berufsarchäologen überhaupt keine historischen Hinterlassenschaften vermuten. Auf diese Weise kam es auch zur überraschenden Entdeckung der Himmelsscheibe von Nebra und des wirklichen Ortes der „Schlacht im Teutoburger Wald“ in Kalkriese bei Osna-brück. Schätzungen zufolge gehen mittlerweile rund 95 Prozent der spektakulären Neufunde auf Amateure zurück.

Deshalb hat man in England bereits 1996 beschlossen, daß der Staat den Hobby-Archäologen einen ehrlichen Preis für Objekte von musealer Qualität oder wissenschaftlichem Wert zahlt – und tatsächlich füllten sich die dortigen Sammlungen seitdem rapide mit frisch ausgegrabenen Antiquitäten. Hingegen verschwinden hierzulande immer noch viele bedeutsame Zeugnisse der Geschichte in Kellern und Scheunen, weil die Finder keine Möglichkeit haben, diese Gegenstände legal zu veräußern, sie aber auch nicht einfach zum Nulltarif an die Behörden ausliefern wollen.