© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/16 / 11. März 2016

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Unter dem Radar
Marcus Schmidt

Wenn der Bundestag einen Untersuchungsausschuß einsetzt, geht es oft um die ganz großen Fragen. Nicht selten kämpfen dabei Minister oder gar Bundeskanzler um ihr politisches Überleben. So versuchten die Abgeordneten etwas Mitte der siebziger Jahre mit den Mitteln der Strafprozeßordnung die Affäre um den DDR-Spion Günter Guillaume aufzuarbeiten. In den achtziger Jahren machte die parlamentarische Aufarbeitung der Parteispendenaffäre des Flick-Konzerns Schlagzeilen, Ende der neunziger Jahre der Untersuchungsausschuß zur CDU-Spendenaffäre. 

In der laufenden Legislaturperiode wurden bislang drei Untersuchungsausschüsse eingesetzt, die sich allesamt ebenfalls mit schlagzeilenträchtigen Themen befaßt haben beziehungsweise befassen. Beim Edathy-Ausschuß schien es zeitweise so, als stünde die Große Koalition auf dem Spiel, die Untersuchungen zur Spionage des amerikanischen Geheimdienstes NSA in Deutschland führten mehr als einmal zu einer Belastung des transatlantischen Bündnisses, und bei der Neuauflage des NSU-Untersuchungsausschusses geht es derzeit um nicht weniger als um die Frage, ob der Staat in die rechtsextremistische Mordserie des NSU verstrickt ist. 

Der vierte Untersuchungsausschuß dieser Wahlperiode, der sich Ende Februar konstituiert hat, dürfte es dagegen schwer haben, von der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Aufgabe des Ausschusses, der auf Antrag der Grünen und der Linkspartei eingesetzt wurde, ist es, die Ursachen und Folgen sogenannter Cum/Ex-Geschäfte zu untersuchen. Dabei handelt es sich um ein finanzpolitisches Spezialthema, in das nur die Fachpolitiker der Fraktionen einen tieferen Einblick haben. Diese sollen nun die zwischen 1999 und 2012 vollzogene Praxis der Cum/Ex-Geschäfte aufklären, bei denen mittels Leerverkäufen von Aktien eine Situation herbeigeführt wurde, in der eine Aktie rechtlich gesehen für kurze Zeit scheinbar mehrere Eigentümer hatte. Der Zeitraum wurde dabei so gewählt, daß in ihn die Auszahlung der Dividende fiel. Die Folge: Dem Staat gingen Milliarden durch die Lappen, weil er die Kapitalertragssteuer für die Geschäfte rund um den Dividendenstichtag mehrfach erstattet hatte. Das Gremium unter Vorsitz des Finanzpolitikers Hans-Ulrich Krüger (SPD) muß nun klären, ob und wenn ja, wann geeignete Gegenmaßnahmen ergriffen wurden, ob diese ausreichten und wer gegebenenfalls jeweils die Verantwortung für die nicht erfolgte Unterbindung der Cum/Ex-Geschäfte trug.

Schon diese Kurzbeschreibung zeigt, daß sich das Interesse der Medien bei diesem Thema in Grenzen halten dürfte. Doch auch wenn das kein Maßstab für die Arbeit eines Untersuchungsausschusses ist, stößt der Cum/Ex-Ausschuß auch bei Fachpolitikern auf wenig Gegenliebe. Zu aufwendig die Recherche, zu gering der zu erwartende Nutzen der Ausschußarbeit, heißt es. Ganz abgesehen davon, daß sich aufgrund des mangelnden öffentlichen Interesses kaum ein Mitglied des Ausschusses medienwirksam profilieren kann. Doch das will natürlich keiner der Beteiligten laut sagen.