© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/16 / 11. März 2016

Geduld zahlt sich aus
Staatsschuldenstreit: Die neue argentinische Regierung will US-Hedgefonds einen Großteil ihrer Forderungen erfüllen / 100 Milliarden Dollar Verlust?
Thomas Kirchner

Nachdem bei den Wahlen im Oktober der Konservative Mauricio Macri zum ersten gewählten Präsident Argentiniens seit 1916 wurde, der weder Peronist noch anders radikal ist, zeichnet sich 15 Jahre nach der Staatspleite eine Lösung des Schuldenproblems ab.

Ein erstes Restrukturierungsangebot Argentiniens wurde 2005 von 92 Prozent der Anleger akzeptiert: sie nahmen einen Verlust von 70 Prozent hin. Viele hofften vergeblich auf ein verbessertes Angebot, doch die linksnationalen Kirchner-Regierungen verweigerten sich Verhandlungen. Die meisten Anleger akzeptierten das schlechte Angebot aus Angst, sonst völlig leer auszugehen. Hoffnung für die verbliebenen Anleihen kam erst auf, als Hedgefonds die restlichen fast wertlosen Anleihen aufkauften und begannen, ihre Ansprüche vor Gericht geltend zu machen. Argentinien blieb stur und wurde zum finanziellen Schurkenstaat, der mit juristischen Tricks versuchte, Staatseigentum auf der ganzen Welt vor den Gläubigern zu verstecken. Während die Geldgeber in den USA Prozesse in allen Instanzen gewannen, gelang es Argentinien, die öffentliche Meinung mit Hilfe der Medien auf seine Seite zu ziehen. 

50.000 italienische Kleinanleger, die nach der langen Wartezeit noch am Leben sind, kamen am 2. Februar als erste in den Genuß eines Schlichtungsangebots. Zu einem Verband zusammengeschlossen hatten, sie vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID), einem Schiedsgericht der Weltbank, jahrelang Nominalbetrag plus Zinsen in Höhe von 2,5 Milliarden Dollar zu erstreiten versucht. Sie sollen nun 1,35 Milliarden Dollar bekommen, was dem Nominalwert plus nicht einmal drei Prozent Zinsen entspricht.

Das Schuldenkarussell dreht sich munter weiter

Wie Finanzminister Alfonso Prat-Gay in Davos angekündigt hatte ging kurze Zeit später ein Angebot an die übrigen Gläubiger: Wer in den USA prozessiert hat, also amerikanische Hedgefonds, bekommt Nominalbetrag plus Zinsen mit einem Abschlag von 27,5 Prozent bei Annahme des Angebots bis zum 19. Februar ausgezahlt, danach mit einem Abschlag von 30 Prozent. Alle anderen Gläubiger bekommen pauschal 150 Prozent des Nominalwerts.

Argentinien hat mit diesen Angeboten die Gläubiger gespalten: die mit Urteilen amerikanischer Gerichte in der Hand bekommen mehr als die Italiener, die einen etwas niedrigeren Spruch des Schiedsgerichts erwarten können. Wer eine andere in Europa begebene Anleihe hält, bekommt nur 150 Prozent, weil Prozesse noch nicht weit fortgeschritten sind und Urteile vielleicht nicht so anlegerfreundlich ausfallen wie in New York. Unklar ist noch, ob das Angebot für alle europäischen Anleihen gilt.

Ein weiteres Problem der drei Angebote: Alle Anleihen bekommen die gleiche Zahlung, unabhängig von den beim Zahlungsausfall fälligen Stückzinsen oder den danach angefallenen Zinsen. Einstige D-Mark-Emissionen müssen zwischen 42 und 69 Prozent der Forderungen abschreiben, bei den Euro-Emissionen sind es je nach Anleihe 42 bis 62 Prozent.

Prozesse gegen finanzielle Schurkenstaaten können Erfolg haben. Doch Gewinner sind die Hedgefonds nicht, schließlich verzichten sie auf einen Teil ihrer berechtigten Forderungen. Auch Argentinien hat durch die Zahlung von nur elf Milliarden auf Forderungen von bis zu 23 Milliarden nur oberflächlich gewonnen. Unterm Strich ist es Verlierer: Macri rechnete dem Parlament vor, daß der Schuldenstreit das Land 100 Milliarden Dollar und zwei Millionen Arbeitsplätze gekostet hat. Außerdem dreht sich das staatliche Schuldenkarussell weiter. Zur Finanzierung werden 15 Milliarden Dollar neue Schulden aufgenommen.