© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/16 / 11. März 2016

Frisch gepresst

Heidegger. Unter den Provinzen im geistigen Weltreich Martin Heideggers spielt Rumänien eine kleinere, aber keine unwichtige Rolle. Ist doch das Balkanland kulturell eng mit Frankreich verflochten, wo Heideggers Werk nach 1945 eine kaum zu überschätzende Wirkung entfaltete, auch befördert durch exilierte rumänische Intellektuelle in Paris. Nach 1990 profitierte die rumänische Heidegger-Rezeption kräftig von solchen französischen Impulsen. Fruchtbaren Boden für die Auseinandersetzung mit Heideggers Werk bot aber auch die autochthone Tradition der christlich-orthodoxen Religionsphilosophie, die sich unter dem sozialistischen Regime behauptet hatte. Ihr ist der 1954 in Siebenbürgen geborene Philosoph George Remete mit seinem Monumentalwerk über „Sein und Glauben“ (2012 bis 2015) verpflichtet. Seine „Einführung“ in Heideggers Denken ist daher trotz des verehrenden Duktus letztlich von den Vorbehalten der orthodoxen Dogmatik bestimmt. Zu den „Risiken und Fehlern“ Heideggers zählt Remete daher zwangsläufig, daß dessen Verständnis des Seins zum Nichts doch auch zum Verständnis der christlichen Idee der creatio ex nihilo hätten führen müssen, und ebenso „hätte ihn die Auslegung des Seins als Gabe zum Bekenntnis des persönlichen Gebers führen sollen“. (wm)

George Remete: Martin Heidegger. Zwischen Phänomenologie und Theologie. Edition Hagia Sophia, Wachtendonk 2015, gebunden, 196 Seiten, 18,90 Euro




Wikipedia. Dringend erwünscht ist Aufklärung über ein Unternehmen, das selbst in kaum zu überbietender Aufdringlichkeit unter der Fahne der Aufklärung segelt: Wikipedia, die „offene“, das „freie Wissen“ propagierende „Enzyklopädie“ im Netz. Wie sehr Sein und Schein dabei auseinanderfallen, zeigt nicht nur die endlose Reihe stichhaltiger Zensurvorwürfe. Auch die etablierte Geschichtswissenschaft sah sich, ausgehend von einem spektakulären Plagiatsfall, auf dem Göttinger Historikertag (2014) erstmals veranlaßt, Zwischenbilanz im Umgang mit dieser „Herausforderung“ zu ziehen. Die Göttinger Referate über diesen Konkurrenten bei der Produktion von Geschichtsbildern und bei historiographischer Sinnstiftung liegen nun im informativen Sammelband vor, der belegt, daß die „inhaltlichen Probleme“ dieses Mediums durch den Vorteil eines unermeßlichen Datenangebots nicht zu kompensieren sind. (wm)

Thomas Wozniak u. a. (Hrsg.): Wikipedia und Geschichtswissenschaft. Verlag De Gruyter/Oldenbourg, Berlin 2015, gebunden, 324 Seiten, 39,95 Euro